Es wird alles andere als ein gemütlicher Spaziergang in die nächste Bundesregierung. Daran ändert auch der Jubel in der ÖVP über den Wahltriumph mit 37 Prozent nichts. Denn nun muss ein Koalitionspartner gefunden werden. Auch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz rechnet damit, dass die Regierungsverhandlungen "zäh" sein und länger dauern werden.
Vorerst beginnt der Übergang zu einer neuen Regierung allerdings mit einem Formalakt. Die Übergangsregierung mit Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein wird am Dienstag gemäß den Gepflogenheiten ihre Demission anbieten und von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit der Weiterführung der Regierungsgeschäfte betraut werden. Ab Mittwoch wird Van der Bellen die Parteichefs zu Gesprächen empfangen. Am Donnerstag werden die letzten Briefwahlstimmen ausgezählt. Anfang nächster Woche wird dann der Bundespräsident Kurz als Obmann der stimmenstärksten Partei voraussichtlich mit der Regierungsbildung beauftragen.
Kurz wird mit allen Parteien Sondierungsgespräche führen. Auf dem Weg zur neuen Regierung warten aber hohe Hürden. Einen bevorzugten Koalitionspartner hat die ÖVP bisher zwar nicht genannt. Auf der Wahlparty im Kursalon Hübner ließen türkise Funktionäre aber schon am Sonntag einen Wunschpartner durchblicken: die Grünen.
"Das wäre die Koalition der Wahlgewinner und damit ein Signal für die Demokratie: Wir würden der Bevölkerung zeigen, dass wir sie wahrnehmen", sagte ein ÖVP-Funktionär. "Ich bin zwar kein Fan von den Grünen, aber sie sind das geringere Übel", meinte ein anderer. Eine Koalition mit der FPÖ hält die Mehrheit wegen der jüngsten Turbulenzen nicht mehr für machbar - und auch die Sozialdemokraten stoßen auf wenig Gegenliebe. "Die Roten sind komplett daneben", erklärte ein altgedienter Funktionär. Solange die SPÖ mit sich selbst beschäftigt sei, komme eine Koalition nicht in Frage, so der Tenor. Mehrere Mitglieder der Jungen ÖVP betonten jedoch, dass man sich alle Optionen offenhalten müsse: "In einer Demokratie muss man mit jedem reden."
Fürsprecher und Stolpersteine
Auf die beiden Wahlsieger gibt es einen erhöhten öffentlichen Druck, in eine Regierung zu gehen. Gerade die Grünen treten für nachhaltige Veränderungen in der Klimapolitik ein: Diese lassen sich von der Oppositionsbank aber deutlich schwerer herbeiführen. Mit voraussichtlich 97 Sitzen würde Türkis-Grün jedenfalls über eine ausreichend abgesicherte Mehrheit im Nationalrat verfügen. Dazu kommt, dass eine türkis-grüne Variante bei einem Großteil der Medien jedenfalls mehr Anklang finden würde als die äußerst kritisch betrachtete türkis-blaue Regierung: Das würde das Regieren für Kurz wohl angenehmer gestalten.