Nach dem historisch schlechtesten Ergebnis der SPÖ am vergangenen Sonntag schloss Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ihre Analyse mit dem Satz: "Die Richtung stimmt." Dabei scheint niemand in der Partei zu wissen, von welcher Richtung die Rede ist. Weder sind sich die Genossen einig, ob sie eine Koalition mit der ÖVP anstreben sollen, noch können sie benennen, wie die "Erneuerung der Partei" konkret aussehen soll, nach der sie seit Jahren alle rufen.
Doch nicht nur in Österreich, europaweit zeigen sich Sozialdemokraten ratlos. In manchen Ländern liegen einst mächtige Parteien darnieder. In Frankreich ist die Parti Socialiste abgestürzt. Bis 2017 hatte sie mit François Hollande den Präsidenten gestellt, nun erreicht sie bei Wahlen fünf bis sieben Prozent. Marginalisiert wurde die sozialdemokratische Pasok in Griechenland, die bei der Parlamentswahl 2009 noch 44 Prozent eingefahren hatte. Sie ging in dem Mitte-links-Bündnis Kinal auf, das bei Urnengängen nun rund acht Prozent erzielt.
Mit herben Verlusten bei Parlamentswahlen haben die SPD, die niederländische Arbeiterpartei, aber auch die schwedischen Sozialdemokraten zu kämpfen. In Großbritannien zerstören sich die konservativen Tories selbst, Labour, ebenfalls vom Brexit-Chaos infiziert, kann davon aber nicht profitieren. "In Rumänien nennt sich die dortige Partei zwar sozialdemokratisch. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber: Sie ist korrupt. Ihr einziges Ziel ist es, sich mit allen Fasern an die Regierung zu klammern - mit hart rechten Tendenzen", sagt der Politologe Anton Pelinka.
Der dänische Weg
Wenn die Sozialdemokraten nach Lösungen aus der Misere suchen, blicken sie vielfach nach Dänemark. Die dänischen Sozialdemokraten unter Mette Frederiksen fahren einen scharfen Migrationskurs, aber eine linke Sozialpolitik. Bei den Parlamentswahlen im Juni hielten sie mit 25,9 Prozent (minus 0,4 Prozent) den ersten Platz. Die Minderheitsregierung von Frederiksen wird vom Linksblock gestützt, in Migrationsfragen sind Mehrheiten mit bürgerlich-rechten Parteien möglich.
Dieser Weg schwebt auch manchem SPÖ-Politiker wie Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vor. Für Kurt Richard Luther, Professor für vergleichende Politikwissenschaften an der englischen University of Keele, geht es hier um eine Grundsatzfrage für die Sozialdemokratie: "Wie geht sie mit Rechtspopulisten um?" Laut Luther existieren drei Strategien, die allesamt riskant sind.
Einerseits können Sozialdemokraten die Inhalte und Positionen der Rechtspopulisten übernehmen, nach dem Motto: "Wenn du sie nicht schlagen kannst, schließ dich ihnen an." Allerdings besteht die Gefahr, dass dieser Kurswechsel parteiintern heiß umstritten ist und die Glaubwürdigkeit der Partei darunter leidet: "Die Frage ist, ob der Wähler der Partei die neue Richtung abnimmt - und ob eine scharfe Anti-Migranten-Haltung sich mit einer sozialdemokratischen Politik vereinbaren lässt", so Luther.