"Auf uns kommen intensive Wochen und Monate zu." Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz machte am Montag unmittelbar nach dem Auftrag zur Regierungsbildung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen deutlich, dass die Suche der ÖVP nach einem künftigen Koalitionspartner einige Zeit dauern wird. Nach einem einstündigen Gespräch war Van der Bellen mit Kurz im Maria-Theresien-Zimmer der Hofburg um 11 Uhr vor die Medien getreten, um den "Herrn Bundesparteiobmann - ist der Titel korrekt?" als Chef der stimmenstärksten Partei mit Vorschlägen zur Bildung einer neuen Regierung zu betrauen.
Kurz wird Sondierungsgespräche schon am Dienstag um 11 Uhr mit der SPÖ beginnen. Bei den Sozialdemokraten gibt es allerdings nach der historischen Wahlschlappe gewichtige Stimmen wie jene des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil, die vor der Rolle als Juniorpartner in einer Koalition warnen.
Bundespräsident nennt vier Vorgaben
Das Staatsoberhaupt nützte freilich den Auftrag zu Regierungsbildung, um allen Parteien nochmals ins Gewissen zu reden. Er ersuche, "das Wohl Österreichs über allfällige parteitaktische Interessen zu stellen", betonte er gleich zu Beginn. Es sollten ehrliche Verhandlungen geführt werden. Denn Türen, die nun zugeschlagen werden, würden für lange Zeit geschlossen bleiben. Seinen wichtigsten Wunsch für die Regierungsbildung brachte der Bundespräsident schließlich auf folgenden Punkt: "Mir ist nicht so wichtig, wer mit wem regiert, mir ist wichtig, wer wofür regiert."
Das Staatsoberhaupt gab Kurz vier konkrete Arbeitsaufträge mit auf den Weg. Einmal mehr bekräftige Van der Bellen dabei die Notwendigkeit, dass die künftige Regierung Klimaschutzmaßnahmen setzt: "Der Umgang mit der Klimakatastrophe sollte ganz oben auf der Agenda stehen."
In einem weiteren Bereich stellte der Bundespräsident in Anspielung auf die Konflikte innerhalb der Justiz und die Debatten um das Innenministerium sowie die Reform des Verfassungsschutzes klar, dass er dabei besonders wachsam sein werde. Bei der Unabhängigkeit der Justiz und bei der Sicherheit werde er nicht nur auf eine sorgfältige inhaltliche Behandlung der Themen, sondern auch auf die personellen Fragen "großes Gewicht" legen, kündigte er an.
Suche nach Mehrheiten in Sachfragen im Parlament
"Die konjunkturelle Lage trübt sich ein." Deswegen gelte es besonders darauf Rücksicht zu nehmen, führte Van der Bellen als dritten Arbeitsauftrag an. Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg sei ein moderner Bildungs- und Forschungssektor. "Last but not least" verwies der Bundespräsident darauf, dass es in der Übergangsregierung je zur Hälfte Frauen und Männer seien. Nachsatz: "Ich fände es gut, wenn auch in der künftigen Bundesregierung der Frauenanteil entsprechend hoch ist."