Ein Phantomschmerz erfasste 2013 die bürgerlichen Quer- und Vordenker: "Was wäre wenn . . .?" hieß ein schmales Buch, das spekulierte, wie das Land wohl aussehen würde, wenn 2002 eine schwarz-grüne Regierung gekommen wäre. Als Herausgeber fungierte Harald Mahrer, heute Präsident der Wirtschaftskammer. Die "Wiener Zeitung" sprach mit ihm über den Reiz und Tücken dieser Kombination.

"Wiener Zeitung": Seit bald 30 Jahren treibt die Idee von Schwarz-Grün die intellektuelle Avantgarde in der ÖVP um. Warum ist ein Bündnis mit den Grünen nicht einfach nur eine ganz normale Option, ein Mittel zum Zweck der Machtbeteiligung? Die ÖVP kann mit allen Parteien regieren, aber nur Schwarz-Grün wird so überhöht.

Harald Mahrer: Persönlich habe ich jetzt seit 25 Jahren mit der Politik in Österreich zu tun, und nie ging es einer Mehrheit derjenigen, mit denen ich in der ÖVP zu tun hatte, nur um Machterhalt. Von außen mag das anders wirken, aber im Gegensatz zu anderen Parteien waren diese Menschen immer entweder interessenspolitisch oder inhaltlich getrieben. Eine Koalition mit den Grünen ist im Moment eine Option unter anderen. Zugleich ist sie aber auch eine neue Alternative, weil sie eine gewisse innerliche bürgerliche Sehnsucht verkörpert, in deren Zentrum Gemeinsamkeiten stehen, die ideengeschichtlich vielleicht größer sind als diejenigen mit anderen Parteien.

Welche Gemeinsamkeiten sind das?

Unternehmerische Freiheit, soziale Verantwortung und das Ziel, Ökologie und Wirtschaft in eine Balance zu bringen, ist in der politischen DNA der ÖVP fest verankert. Und viele Gründer und Gründerinnen der Grünen kommen aus dem bürgerlichen Umfeld. Von daher gibt es, auch wenn das einige vielleicht nicht hören wollen, eine gewisse Seelenverwandtschaft, die so mit anderen Parteien nicht besteht. Ich glaube, dass hier die Gründe liegen, warum die ÖVP-Vordenker besonders gerne über diese Variante nachgedacht und spekuliert haben. Es ist die Chance, Neues auszuprobieren, sich auf Innovationen einzulassen. Mir geht es ja selbst so.

2013 haben Sie geschrieben, dass "Umweltbelastung und Ressourcenverbrauch in die Kalkulationen der Produktionsprozesse und Preisgestaltung" bei der Ökosozialen Marktwirtschaft einzubeziehen seien. Warum hat die ÖVP das nicht längst umgesetzt?

Weil wir eine extrem exportorientierte Wirtschaft sind, die noch dazu in den vergangenen 30 Jahren in einem bis dahin unvorstellbaren Ausmaß in die globale Wertschöpfungskette integriert wurde. Gäbe es lauter voneinander abgekoppelte Inseln, die alle für sich selbst produzieren und konsumieren, könnten wir über Ihre Frage anders diskutieren. Wir verdienen aber sechs von zehn Euro der Bruttowertschöpfung auf den Weltmärkten, unsere regionale Wertschöpfung hängt an den Erfolgen unserer globalen Akteure. Das heißt, dass wir über diese Bepreisung des Ressourcenverbrauchs nur im globalen, zumindest aber europäischen Rahmen diskutieren müssen. Hier nationale Wege zu beschreiten, führt in eine Sackgasse. Das wird, wenn es zu Regierungsverhandlungen kommen sollte, eine harte Debatte mit den Grünen, weil das für unsere Wirtschaft enorm schädlich wäre.