Wien. (pech) "Ich werde mich voll einbringen." Das versprach Irmgard Griss (70), als sie am Donnerstag gemeinsam mit Neos-Chef Matthias Strolz die "Allianz für Freiheit und Verantwortung" präsentierte. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, die mehr als 30 Jahre lang ein Richteramt ausgeübt hat und im Vorjahr mit 18,9 Prozent knapp den Einzug in die Stichwahl um das Bundespräsidentenamt verfehlt hat, will nun die pinke Partei bei ihrem Wiedereinzug in den Nationalrat unterstützen. Allerdings tut sie das nicht als Neos-Mitglied. "Ich trete nicht für Neos, sondern mit Neos an", sagte sie.

Populär wurde Griss, als sie an der Spitze der noch vom damaligen ÖVP-Obmann und Finanzminister Michael Spindelegger eingesetzten Hypo-Kommission einen sehr harten Bericht vorgelegt hatte. Alles, was später im Hypo-U-Ausschuss Thema war, hatte sie darin bereits festgezurrt. Beflügelt von der positiven Aufmerksamkeit und angespornt durch den eigenen Willen, hat sie bei der Bundespräsidentschaftswahl einen Achtungserfolg erzielt.

Größere Schnittmenge
mit den Neos als mit Kurz

Was ihr wichtig ist? "Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Solidarität. Aber vor allem Verantwortung in der Politik." Mit diesen Anforderungen habe sie sich nach vielen Gesprächen - auch mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz - bei Neos und Matthias Strolz am besten wiedergefunden, sagte sie. "Was lange währt, wird endlich gut", beschrieb Griss selbst ihr langes Zögern, sich für eine Partei zu entscheiden. "Gut Ding braucht Weile", schoss sie gleich noch ein zweites Sprichwort nach, um ihr langes Zögern zu erklären.

Sie treffe alle Entscheidungen nach reiflicher Überlegung, und sie habe überhaupt keinen Grund gesehen, schon vorher an die Öffentlichkeit zu gehen. "Ich bin ja nicht im Verdacht, dass ich frei von Ungeduld bin", räumte Strolz ein, aber er habe in der Politik gelernt, wie wichtig das richtige Timing sei, und "der reife Zeitpunkt ist jetzt".

Man teile dieselben Werte und "dieselben Leidenschaften - thematisch", sagte auch Strolz. Es brauche eine Weiterentwicklung des Landes weg vom "Parteienstaat" hin zu einer "Republik der Bürger", ist Strolz überzeugt - wie Griss, die Populismus ablehnt und "eine vernünftige, eine verantwortungsvolle Politik" machen will.

Griss und Strolz erwarten zweistelliges Ergebnis

Dass sie nicht mit einer eigenen Liste antritt, erklärte Griss damit, dass eine Bundespräsidentenwahl und eine Nationalratswahl "zwei ganz verschiedene Paar Schuhe" seien. Gleichgesinnte Kräfte sollten sich zusammentun, eine große Zahl an Listen und damit eine Aufsplittung habe keinen Sinn - "es geht ja jetzt nicht um irgendeinen Egotrip".

Vorausgesetzt, die Mitgliederversammlung der Neos gibt am Samstag ihren Segen, soll Griss auch im Namen der Liste sichtbar werden. Wie dieser genau lautet, wird aber erst besprochen. 2013 hat Strolz mit seinen Neos aus dem Stand mit fünf Prozent den Einzug in den Nationalrat geschafft. Jetzt peilen beide gemeinsam für den 15. Oktober ein zweistelliges Ergebnis an. "Es ist immer Luft nach oben", meinte Griss, sie werde sich jedenfalls "voll einbringen". "Wir wachsen", betonte Strolz. Von einer möglichen Konkurrenz durch eine Liste des Noch-Grünen Peter Pilz wollen sich Griss und Strolz nicht aus der Ruhe bringen lassen: "Konkurrenz belebt das Geschäft", bemühte Griss noch ein geflügeltes Wort. "Die höchste Auszeichnung ist ja die Nachahmung", wünschte Strolz den Mitbewerbern "viel Glück".

Listenplätze werden
am Samstag festgelegt

Welchen Listenplatz Griss bekommen soll, wird erst im erweiterten Vorstand am Freitag besprochen. Strolz betonte, dass es sich statutarisch ganz korrekt gesehen nicht um eine "Wild Card" für die Liste handle (der die Hälfte der Mitgliederversammlung zustimmen müsste), sondern um eine "Allianz", die von zwei Dritteln bestätigt werden müsse. Die Frage, ob es denkbar wäre, dass Griss statt Strolz gar Spitzenkandidatin wird, beantwortete der Parteichef "aus Respekt vor den Gremien" nicht.