Wien. "Im Ziel sind wir uns einig." "Da bin ich mit Ihnen einer Meinung." Wie zu erwarten, haben Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Grünen-Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek sehr viele gemeinsame Schnittstellen, was auch die erste ORF-Konfrontation der beiden unter einer sehr strukturierten Leitung von Claudia Reiterer am Dienstagabend zeigte. Für beide läuft ja der Wahlkampf nicht rund, und beide fischen im selben Wählerteich.
So etwa war die Debatte um die 35-Stunden-Woche, die die Grünen jedenfalls als Ziel in ihrem Programm haben, wenig kontrovers. Auch Kern ist nicht grundsätzlich dagegen, will aber den Wirtschaftsmotor, der gerade in Fahrt komme wie seit zehn Jahren nicht, nicht jetzt sofort damit abwürgen. Beide sind sich auch einig, den Weg Richtung Arbeitszeitverkürzung mit einem Abbau der Überstunden zu beginnen. Lunacek begrüßt auch, dass die Überstundenzuschläge von Teilzeitarbeitskräften, die derzeit nur bei 25 Prozent liegen, auf das Niveau der Vollzeitarbeitskräfte von 50 Prozent angehoben werden sollen, wie die SPÖ vorschlägt.
Dissens gab es bei dem Wunsch der SPÖ - wie auch der ÖVP -, dass die Kinderbeihilfe für EU-Ausländer an das Niveau in den Heimatstaaten angepasst werden soll. Lunacek kritisierte diesen Versuch der Regierung und argumentierte, dass vor allem Pflegerinnen die Kinderbeihilfe für ihre zu Hause lebenden Kinder als Einkommensbestandteil sehen würden. Kern wiederum wollte das nicht gelten lassen und stattdessen gerechte Löhne im Pflegebereich insgesamt herstellen. Aber das sei, wie Kern es ausdrückte, ohnehin eine "Diskussion um Kaisers Bart", weil die EU-Kommission dem österreichischen Ansinnen nicht stattgeben werde - Deutschland ist damit bereits abgeblitzt.
Differenzen der beiden gab es zu CETA, das Lunacek am liebsten ganz verhindert hätte, Kern stimmt nur den Schiedsgerichten nicht zu. Der Handelsvertrag mit Kanada - ohne Schiedsgerichte - ist ja vergangenen Donnerstag in Kraft getreten. Auch den Ausstieg aus dem Diesel wollen beide in unterschiedlicher Konsequenz. Die Grünen wollen das verpflichtend ab 2030 umsetzen, die SPÖ setzt auf Freiwilligkeit. Kern gab hier zu bedenken, dass 300.000 Jobs in Österreich an der Autozulieferindustrie hängen würden.
Und schließlich zeigte sich eine völlige Übereinstimmung in der Gegnerschaft zur FPÖ. Lunacek warnte davor, aus taktischen Gründen SPÖ statt Grün zu wählen, weil man vor Rot-Blau nicht sicher sein könne. Kern sagte neuerlich, dass es nur eine Garantie gegen Schwarz-Blau gebe, nämlich SPÖ anzukreuzen.