Wien. Einen Tag nach der Präsidentenwahl in den USA hat ein Unternehmen namens Cambridge Analytica per Presseaussendung Sieger Donald Trump gratuliert - und sich selbst auch gleich. "Wir sind stolz, dass unser revolutionärer Ansatz von datengestützter Kommunikation so eine wichtige Rolle gespielt hat."

Dieser "revolutionäre Ansatz" besteht, vereinfacht gesagt, in einer Verknüpfung von aggregierten, personenbezogenen Daten und Erkenntnissen aus jahrzehntelanger Verhaltensforschung. Damit kann man der aus manchen Science-Fiction-Filmen bekannten Dystopie personalisierter Werbung schon sehr nahe kommen.

Wir zahlen im Supermarkt mit Karte, liken etwas auf Facebook, kaufen im Internet ein, suchen verschiedene Begriffe auf Google und nutzen auf Smartphones Apps, die Zugriff auf unser Bewegungsprofil haben. So kommen Daten zusammen, die in den Händen kommerzieller Unternehmen liegen und verkauft werden können. Unter anderem eben an Firmen wie Cambridge Analytica.

Im Wahlkampf für Trump wurde diese End-Ausbaustufe personalisierter Werbung zwar noch nicht angewendet, allerdings kam sehr fortgeschrittenes Targeted Advertising zum Einsatz, um potenzielle Wähler sowie auch Nicht-Wähler mit präzise abgestimmten Informationen anzusprechen. Es soll tausende verschiedene Versionen von Werbespots gegeben haben, die zielgerichtet geschaltet wurden, um jedem und jeder das zu erzählen, was er bzw. sie hören wollte.

Ganz wesentlich war dabei auch, demokratische Wähler zu demobilisieren. Wie sich nach der Wahl zeigte, dürfte dies auch gelungen sein. Unter Afroamerikanern ist die Wahlbeteiligung von mehr als 66 Prozent auf unter 60 Prozent gefallen - und die schwarze Bevölkerung wählt traditionell vor allem demokratisch.

Es ist allerdings umstritten, ob die Methoden von Cambridge Analytica tatsächlich die bedeutsame Rolle gespielt haben, derer sich die Firma selbst rühmt. So war etwa die afroamerikanische Wahlbeteiligung 2016 auf ähnlichem Niveau wie vor der Ära Barack Obamas. Dennoch zeigt es, wohin sich die Kommunikation, und zwar auch die politische, hinbewegt, welche demokratiepolitisch bedrohlichen Möglichkeiten die nahe Zukunft offenbart.

Fakt ist, dass wir mit zunehmender Digitalisierung immer mehr Spuren hinterlassen. Und desto mehr kann man auch über uns, unser Verhalten, unsere Vorstellungen und unsere Interessen Bescheid wissen. Vielleicht sogar mehr, als wir selbst über uns zu wissen glauben. Und das ist nicht nur für Firmen interessant, die uns ihre Produkte verkaufen wollen, sondern auch für Parteien, die auf unsere Stimmen spitzen.

Facebook ist als größtes soziales Netzwerk von zentraler Bedeutung. 3,7 Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind auf dieser Plattform registriert, rund drei Millionen nutzen es täglich. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war der erste Politiker, der dieses Potenzial professionell nutzte und eine riesige Fanbasis aufbaute.

Strache als Vorreiter

Strache kommuniziert intensiv über diesen Kanal, teilt Links, Videos und Artikel. Für viele Facebook-Nutzer ist seine Seite ein wichtiger Anker ihrer eigenen Echokammer. Wie der Chefredakteur der Online-Krone, Richard Schmitt, in einem Interview mit dem "Fleisch-Magazin" einmal bekannte, fördert diese Publizität ein Doppelspiel zwischen Politikern und Medium. "Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, dann merken wir, das haut die Quote auf das Eineinhalbfache hoch. Und umgekehrt kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen", sagte Schmitt zu "Fleisch".

Während sich SPÖ und ÖVP anfänglich mit unprofessionellen Accounts und gekauften Fans auf dem Gebiet der Social Media eher blamierten, bot dieser Wahlkampf grundsätzlich einen großen Sprung. "Es war spannend, dass Social Media im Herzen der Kampagnen angekommen sind, und zwar viel mehr als in Deutschland", sagt die Autorin Ingrid Brodnig, die im Juli ihr aktuelles Buch "Lügen im Netz" veröffentlichte. Sie hat sich auf Social Media spezialisiert.

Kanzler Christian Kern meldete sich zu aktuellen Themen per Video zu Wort, Sebastian Kurz übertrug Auftritte per Livestream oder kommentierte verlinkte Meldungen ähnlich wie Strache. Es war als Kommunikation zwischen Politikern und potenziellen Wählern auf der Höhe der Zeit gedacht. Die drei inkriminierten Seiten jedoch, die in der Vorwoche gleichzeitig offline gingen - "Wir für Sebastian Kurz", "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" sowie "Die Wahrheit über Christian Kern" - sind aber nicht Teil der normalen Kommunikation. Hier stecken andere Motive dahinter. Nur welche genau?

Während die beiden "Die Wahrheit über . . . "-Seiten klassisches Dirty Campaigning betrieben, die Kandidaten Kurz und Kern mit üblen Vorwürfen bedacht wurden, war das schon vor Monaten diskutierte "Wir für Sebastian Kurz" eine vermeintliche Fan-Seite, auf der der ÖVP-Chef hymnisch gelobt wurde. Aber eben das bisschen zuviel, um wirklich Werbung für Kurz zu sein. Deshalb wollte die ÖVP die Seite auch löschen lassen.