Wien. (dab/mad) Der Kutscher verlangsamt den Schritt der Pferde. Fragende Züge bilden sich auf dem Gesicht des älteren Mannes. Verdutzt blickt er zu den Menschenmassen, die sich in der Lichtenfelsgasse in Wien versammelt haben. Er hebt den Kopf, schaut, um wen all der Trubel gemacht wird. "Der 15. Oktober ist unsere Chance auf Veränderung", sagt Sebastian Kurz, der nur wenig Meter vom Kutscher entfernt gerade seine Rede zum Wahlkampfabschluss hält. Von seinen Anhängern und Kameras ist der ÖVP-Obmann umringt. Er hält sich kurz, bedankt sich bei seinen Unterstützern und ruft dazu auf, dass man ihn am Sonntag wählt. Bevor Kurz in den Bus steigt, schüttelt er noch ein paar Hände. Einmal brandet noch kurzer Jubel auf, als er seinen Anhänger zuwinkt. Danach wird es schnell ruhig. Der letzte Akt ist vorbei, der Kutscher bereits weg.

Wenige Stunden später geht der Wahlkampf dann auch für die SPÖ zu Ende. Und Bundeskanzler Christian Kern bemüht sich dabei, noch einmal Zuversicht auszustrahlen. "Wir werden das gewinnen, ihr werdet das sehen", ruft der Parteichef den mehreren hundert Besuchern zu, die sich vor der SPÖ-Zentrale in der Wiener Innenstadt versammelt haben. Gekommen ist auch Bürgermeister Michael Häupl. Ebenso wie Kern warnt auch er eindringlich vor einer Neuauflage der schwarz-blauen Koalition. Ins Visier gerät dabei vor allem Kurz, dem die SPÖ-Spitzen umfangreiche Sozialabbaupläne vorhalten.

"Das ist unser Ort"

Auch in der endgültigen Final Abschlussveranstaltung der Wiener SPÖ am Viktor-Adler-Markt meinte Kern am Samstagvormittag: "Wir stehen vor einer Weggabelung." Schwarz-Blau stehe für Sozialabbau, die SPÖ dagegen für soziale Verantwortung.  Die Aussichten für den Wahlsonntag sind nach Meinung Kerns gut. Die Chancen stünden "exzellent", die Stimmung im Land beginne sich zu drehen. Denn die Menschen würden realisieren, was eine neue Regierung von ÖVP und Freiheitlichen bedeuten würde.

Seit einigen Jahren hat ja die FPÖ den Viktor-Adler-Markt im ehemaligen Arbeiterbezirk Favoriten als Ort für ihren Abschluss traditionell Freitagnachmittag gebucht. Die SPÖ zieht nun immer am Samstagvormittag nach. Zu sagen hat das für den Kanzler nichts: "Das ist unser Platz, das war unser Platz und das wird immer unser Platz sein."

Strache will Überraschung schaffen

Am Freitag beschwört Heinz-Christian Strache am selben Ort: "Vielleicht gelingt es uns sogar, gemeinsam die Überraschung zu schaffen", sagt der FPÖ-Chef bei der traditionellen blauen Schlusskundgebung auf dem Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten. Auch einen letzten Mobilisierungsappell gibt es noch. "Ihr seid stark. Lasst euch nicht einreden, dass ihr schwach seid und eh nix ändern könnt", ruft Strache seinen Anhängern zu. Es sei "nicht Gott gewollt", dass SPÖ und ÖVP ewig weiterregieren.

Daran glaubt auch Peter Pilz, der bereits zuvor den "transparentesten und billigsten Wahlkampf ever" beendet hat. Der Schluss, den Pilz daraus zieht, ist freilich ein anderer: Falls die FPÖ Teil der nächsten Regierung sei, sei es umso wichtiger, dass seine Liste "als gut funktionierende Kontrolle" ins Parlament einzieht.

Für die Grünen ist es hingegen noch nicht ganz vorbei. Bei der Schlusskundgebung im Marx-Palast fordert Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek auf, noch einmal 36 Stunden mit den Themen Klimaschutz, Gleichberechtigung und Europa zu "laufen, laufen, laufen", damit sich das zweistellige Ergebnis, von dem hier viele sprechen, auch tatsächlich ausgeht.

Strolz warnt vor FPÖ und will ein Stachel sein

Pink kam zuletzt: Die Neos haben Samstagnachmittag auf dem Platz der Menschenrechte auf der Mariahilferstraße in Wien als letzte Partei ihren Wahlkampfabschluss vor einigen Hundert Sympathisanten begangen. Parteichef Matthias Strolz zeigte sich davon überzeugt, dass man "gestärkt aus der Wahl hervorgehen" werde. Er sah eine "Richtungsentscheidung" und prophezeite einen Kanzler Sebastian Kurz.

"Der Kanzler scheint mit Kurz gesetzt zu sein", so Strolz. Die Frage sei, mit wem dieser eine Koalition eingehe. Und der Pinken-Chef ließ keinen Zweifel daran, dass die Neos - "wenn sich die Chance und die Möglichkeit ergibt" - in Regierungsverhandlungen gehen würden. Denn die Alternative wäre "kein schönes Bild", nämlich eine freiheitliche Regierungsbeteiligung mit einem Vizekanzler und "Polizeiminister" Heinz-Christian Strache und einem Außenminister Norbert Hofer. Er habe die große Sorge, dass dann die "Orbanisierung Österreichs" drohe. Sollte es mit der Regierungspartei NEOS doch nicht klappen, werde man jedenfalls ein "kraftvoller Stachel in diesem verkrusteten System" sein, so der Vorarlberger.