Havanna. Oberst Lamberto Fraga räumte vor wenigen Tagen im kubanischen Fernsehen noch einmal die letzten Zweifel aus. Der Chef der Einwanderungsbehörde versprach seinen Landsleuten: Ab Montag haben die Kubaner das Recht ins Ausland zu reisen, ohne dazu die Regierung um Erlaubnis bitten zu müssen. Zumindest auf dem Papier ist die neue Reisefreiheit damit eine Zäsur in der kubanischen Geschichte. Um das Land zu verlassen, reichen künftig ein gültiger Pass und ein Einreisevisum des Ziellandes. Die kubanischen Behörden rechnen offenbar mit großem Interesse an der neuen Reisefreiheit. Fast 200 Büros und Anlaufstellen würden sich um die Reisewilligen kümmern, heißt es aus Havanna.

Kuba hatte den neuen Kurs schon vor Wochen angekündigt, um seine Bürger auf die neuen Freiheiten vorzubereiten. Die Reform der Reisepolitik ist von den rund 11 Millionen Kubanern seit Jahren sehnlich erwartet worden. Präsident Raúl Castro, der vor sechs Jahren die Führung des Landes von seinem Bruder Fidel Castro übernommen hatte, setzt damit ein deutliches Zeichen der Liberalisierung. In der Vergangenheit wurden Reisegenehmigungen oft willkürlich vergeben und Regimekritikern häufig verweigert. Bis heute wartet die prominente Bloggerin Yoanni Sanchez auf eine Ausreisegenehmigung, obwohl der regierungskritischen Autorin Einladungen aus aller Welt vorliegen. Sie ist gespannt: "Ich schwanke zwischen Hoffnung und Skepsis."

Es bleibt allerdings eine letzte Hürde: Kubaner brauchen für die meisten Länder der Welt ein Einreisevisum. Das ist nicht leicht zu bekommen, insbesondere weil die zukünftigen Touristen mit einem durchschnittlichen Monatslohn von umgerechnet 50 US-Dollar nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen.

Mit Spannung wird erwartet, wie die Regierung mit den Reisewünschen hochqualifizierter Berufsgruppen umgeht. "Es werden Maßnahmen beibehalten, um das geistige Kapital, das von der Revolution geschaffen wurde, gegen den Raub der Talente durch die Mächtigen zu schützen", hieß es in einer Stellungnahme der Regierung. Die traditionell gut ausgebildeten Mediziner dürfen aber offenbar ohne Einschränkungen reisen.

Florida macht sich auf neue Migrationswelle gefasst


Zuvor drohte Kubanern, die nach einer Auslandsreise nicht zurückkehren, der Verlust ihres Eigentums sowie ein dauerhaftes Einreiseverbot. Die Einschränkungen auf Kuba hatten in den 80er und 90er Jahren zu großen Flüchtlingsströmen in die USA geführt, wo inzwischen rund zwei Millionen Exilkubaner leben. Ihre Hochburg ist der Bundesstaat Florida. Dort dürfte man der neuen Reisefreiheit mit gemischten Gefühlen entgehen sehen. Nicht wenige Experten glauben, dass die kubanische Liberalisierungswelle der Versuch ist, die USA auf diese Weise zu einer Rücknahme des jahrzehntelangen Kuba-Embargos zu zwingen. Die USA wiederum könnten dann gezwungen sein, angesichts eines bevorstehenden Massenexodus von Kubanern nach Florida ihrerseits die Einreisebestimmungen zu ändern.