Bauer beim Versprühen von Pestiziden in Ghana. - © Schröder/ Südwind
Bauer beim Versprühen von Pestiziden in Ghana. - © Schröder/ Südwind

Wien. (wak) Kaum ist der September vorbei, stocken die Supermärkte ihre Schokoladenvorräte in Form von Krampussen und Nikolos auf. Je nach Studie isst jeder Österreicher zwischen 6,3 Kilo und 9 Kilogramm Schokolade pro Jahr. Hierzulande werden dafür 170 Millionen Euro jährlich ausgegeben. In Österreich isst man vor allem die billige Kakaobohne. Der globale Kakaomarkt teilt sich grob in zwei Sorten - die höherwertige kommt aus Lateinamerika, die minderwertigere und billigere aus Afrika. 70 Prozent des österreichischen Schokolade-Hungers wird mit Bohnen aus Afrika gestillt - Ghana, Kamerun und der Elfenbeinküste.

Während sich in Lateinamerika schon einige soziale Probleme durch gewerkschaftliche Organisation gelöst haben, steht die Produktion in Afrika noch vor den Trümmern der jahrelang betriebenen Niedrigpreispolitik. Daher machen zum Welttag für menschenwürdige Arbeit am Montag, den 7. Oktober, die NGO Südwind und die Produktionsgewerkschaft Pro-Ge auf die Missstände in der Schokoladeindustrie aufmerksam.

Bis zu 14 Millionen Arbeiter sind auf Kakaoplantagen weltweit damit beschäftigt, Kakaoschoten von den Bäumen zu pflücken und sie anschließend mühselig aufzuhacken, um die Bohnen für die Fermentierung und Trocknung freizulegen. Der Kakaobaum ist eine sensible Pflanze, die über das Jahr hinweg Früchte trägt - wenn es zu keinem Schädlingsbefall kommt.

Indonesien hatte Pläne, die Errichtung von Kakaoplantagen zu fördern, diese jedoch dann nicht realisiert, sondern ist auf die viel einfachere und rentablere Palmölproduktion umgeschwenkt.

"Schokolade ist echte Handarbeit", erzählt Bernhard Zeilinger, Projektleiter von "Make Chocolate Fair" der Organisation Südwind. Trotz der arbeitsintensiven Pflege der Kakaobohne erhalten Bauern aktuell nur mehr sechs Prozent am Anteil des Verkaufspreises einer Tafel Schokolade. Im Jahr 1980 waren es noch 16 Prozent.

Dies und die seit den 1980er Jahren fast um die Hälfte gefallenen Preise haben sukzessive zu einer Verarmung von Kakaobauern und einen Anstieg von ausbeuterischer Kinderarbeit geführt. "Ausbeuterisch" in dem Sinn, dass es gegen die UN-Konvention läuft. Die UN erlaubt Arbeiten im Familienbetrieb, solange der Schulbesuch nicht behindert wird. Einer Studie der Universität Tulane in New Orleans zufolge werden etwa in Ghana 200.000 Kinder ausbeuterisch beschäftigt.

Das Fairtrade-Siegel ist zwar noch immer das umfassendste Gütesiegel, das es gibt, um sich über Herkunft und Produktion von Schokolade zu vergewissern. Doch auch hier gilt, dass der faire und garantierte Preis nur den Bauern zugute kommt, denen die Farm auch gehört. Bei einer Kakaofarm von 3 bis 5 Hektar werden etwa rund 40 bis 50 externe Arbeiter hinzugezogen. Deren Entlohnung bleibt wiederum den zertifizierten Fairtrade-Bauern selbst überlassen, solange sie den nationalen Gesetzen genügen.

Gefährliche Chemikalien trotz Gütesiegel


Die nationalen Gesetze der Anbauländer sind auch das Maximum, das Gütesiegel wie etwa der Rainforest-Alliance oder das neue UTZ-Siegel zertifizieren. Der Anbau der sensiblen Pflanze beinhaltet dann auch bei Gütesiegel-Schokolade, dass Pestizide eingesetzt werden, die in Europa schon längst verboten sind.

Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie sowie Landschaftsökologe an der Medizinischen Universität Wien, hat unter anderem auf Kakaoplantagen in Westafrika im Zuge der Vorbereitung einer medizinischen Studie recherchiert: "Chemikalien, die aufgrund ihrer Gefährlichkeit in der EU schon längst verboten sind, stehen dort noch tagtäglich am Einsatzplan. Erschreckend ist vor allem, dass die Pestizide ohne jeglichen Schutz für die Arbeiter ausgebracht werden, oft auch im Beisein ihrer Kinder. Viele von ihnen können weder lesen und schreiben und sind oftmals völlig im Unklaren darüber, welchen Gesundheitsrisiken sie sich aussetzen."

Arbeiter beklagen in erster Linie akute Symptome wie Augen- und Hautreizungen oder Übelkeit. Hutter befürchtet zudem Langzeitfolgen wie Schäden der Atemwege und des Nervensystems.