Der chilenische Präsident Salvador Allende war in Lateinamerika eine Symbolfigur der 68er-Generation. Mit dem Versuch, den demokratischen Sozialismus in seinem Land einzuführen, gewann er die Sympathie der Linken weltweit. "Wir haben an seine Worte geglaubt, wir dachten, man könne die Welt verändern", schreibt Marco Antonio de la Parra, Mitglied der Akademie der Schönen Künste Chiles. Zeitgleich zog sich der Präsident den Haß der äußersten Rechten wie der Konservativen zu. Diese Spaltung trat während seiner drei Regierungsjahre offen zutage.

Am 4. September 1970 hatte Allende als Kandidat eines Volksfrontbündnisses aus fünf linken Parteien knapp die Präsidentenwahlen gewonnen. Seine Anhänger bejubelten die Verstaatlichung der Kupferminen und der ausländischen Konzerne.

Im April 1973 kam die Volksfront bei den Parlamentswahlen auf 43,4 Prozent der Stimmen, verpaßte aber die absolute Mehrheit. Die innenpolitische Situation spitzte sich zu. Inflation und Versorgungsengpässe sorgten für Unruhe. Die rechte Mehrheit im Parlament blockierte systematisch die Regierungsvorhaben.

Allende-Gegner forderten den Rücktritt des Staatschefs und rüsteten mit zahlreichen Streiks, wie die der Lastwagen- oder Busfahrer, zum Gegenschlag. Dabei erhielten sie Unterstützung aus Washington.

US-Präsident Richard Nixon ließ mit Hilfe des Geheimdienstes CIA gegen Allende konspirieren. Nach Kuba sollte verhindert werden, daß ein weiteres lateinamerikanischen Land in das Lager der Sowjetunion wechselt.

Regime in wenigen Stunden etabliert

Am 11. September 1973 putschten die Streitkräfte unter Führung von Heeresgeneral Augusto Pinochet. Allende hatte den General unterschätzt, den er wenige Wochen zuvor persönlich zum Heereschef befördert hatte und den er für absolut loyal hielt. In wenigen Stunden etablierte Pinochet sein Terrorregime, dessen Schergen mindestens 3.200 Menschen ermordeten. Zehntausende wurden bestialisch gefoltert, Hunderttausende gingen ins Exil. Der beklemmende Kinohit "Missing" des griechischen Regisseurs Costa Gavras mit Jack Lemmon in der Hauptrolle schildert die Putschtage und die Suche nach einem verschwundenen Sohn eindrucksvoll.

Während die Linke außer Landes getrieben wurde, konnten die sogenannten "Chicago-Boys" ihre neoliberalen Wirtschaftstheorien unter "Laborbedingungen" (de la Parra) in die Praxis umsetzen. Unternehmen wurden wieder privatisiert, die Wirtschaft Chiles mit massiven Zollsenkungen geöffnet.

Die Diktatur verhinderte Proteste, Streiks und Widerstand. Die Gewerkschaften wurden von regimehörigen Männern geführt, sodaß die Löhne niedrig blieben. Chile ergriff so Jahrzehnte vor seinen südamerikanischen Nachbarn eine marktwirtschaftliche Politik, die für viele demokratische Staaten auf dem Subkontinent später Modellcharakter hatte. Dennoch ist Chile der Sprung von einem Agrarland und Rohstoffexporteur zum Industriestaat nicht geglückt. Kupfer bleibt Exportgut Nummer eins.

Auch ist es acht Jahre nach Wiederkehr der Demokratie nicht gelungen, alle autoritären Strukturen der Pinochet-Ära zu überwinden. Mehrere Anläufe zu Verfassungsänderungen scheiterten, der General im Ruhestand kann sich weiterhin auf Sperrminoritäten im Parlament verlassen und seine Vereidigung als Senator mit Immunität auf Lebenszeit konnten die Demokraten in diesem Jahr nicht verhindern.

(dpa)