Wien. Die Zahl ist erschütternd: 30 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Konvention gegen Folter lebt laut Umfrage immer noch fast jeder zweite Mensch weltweit - 44 Prozent - mit der Angst,im Falle einer Verhaftung misshandelt zu werden. Die Furcht kommt nicht von ungefähr: Folter ist nicht nur "weiterhin existent, sie ist sogar auf dem Vormarsch", klagt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) in ihrem jüngsten Folterbericht, der zugleich Startschuss für eine weltweite Stopp-Folter-Kampagne war.

155 der 193 UNO-Mitgliedsstaaten hätten das UN-Folterverbot von 1984 inzwischen zwar ratifiziert, in vielen Fällen handle es sich aber um ein reines Feigenblatt, heißt es im Bericht. Aus 141 Ländern erhielt ai nach eigenen Angaben in den vergangenen fünf Jahren "glaubhafte" Folterberichte. Das Fazit: Staatsfolter ist keinesfalls auf autoritäre und diktatorische Regime beschränkt. "Auf allen Kontinenten sind Regierungen jeglicher politischer Couleur an diesem extremen Verfall der Menschlichkeit beteiligt", klagt ai in dem Bericht.

Dieser macht vor allem "gewaltiges politisches Versagen - genährt von einer zerstörerischen Haltung, die schlicht leugnet, dass Folter existiert", für den Anstieg verantwortlich. Anstatt sich um "wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung vor Folterern zu kümmern", würden Regierungen Voraussetzungen für deren Zunahme schaffen. "Dieses weit verbreitete und hinterhältige Vorgehen beweist, dass ein globales Folterverbot nicht ausreicht", konstatiert die Menschenrechtsorganisation. Ein weiteres Problem sei die Straffreiheit, denn Folter bleibe in der Regel "ungesühnt". In ihrer Anti-Folter-Kampagne will ai das Augenmerk besonders auf Marokko, Usbekistan, Nigeria, Mexiko und die Philippinen richten.Laut einer Umfrage in 21 Ländern halten 36 Prozent der Befragten Folter unter gewissen Umständen für gerechtfertigt; 82 Prozent sprechen sich für klare Gesetze gegen Folter aus.