Tunis. (apa) Tunesien war das Ursprungsland des Arabischen Frühlings, heute ist es Vorreiter für einen friedlichen Wandel zur Demokratie. Die Tunesier haben durch den Sturz von Langzeitmachthaber Zine al-Abidine Ben Ali den anderen arabischen Staaten gezeigt, dass ein Auflehnen gegen Autokraten erfolgreich sein kann. Während in Ägypten die Revolution nach dem Sieg der Muslimbrüder bei der ersten freien Wahl in einem Militärputsch endete und sowohl in Libyen als auch in Syrien ein von Islamisten geschürter Bürgerkrieg die Hoffnungen auf einen demokratischen Neuanfang zunichte machten, gelang es Tunesien nach mehreren Rückschlägen, einen Konsens zwischen den religiösen und säkularen Kräften herzustellen. Dennoch kommt es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und radikalen Islamisten - bei einem Anti-Terroreinsatz wurde gestern nahe Tunis ein Polizist erschossen.

Bei den Parlamentswahlen Sonntag muss der Maghreb-Staat nun beweisen, dass er den Übergang zu einer echten Demokratie geschafft hat. Die islamistische Ennahda-Partei hat zwar in der Zeit an der Regierung an Popularität verloren, dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass die am besten organisierte Partei der Muslimbrüder wie schon bei der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung vor zwei Jahren stimmenstärkste Partei wird. Ennahda-Chef Rached Gannouchi hat allerdings schon angekündigt, eine möglichst breite Koalition bilden zu wollen.

Als größter Konkurrent der Ennahda gilt die 2012 säkular-nationalistische Partei Nidaa Tounes (Ruf Tunesiens). Dem vom 87-jährigen Ex-Übergangspremier Beji Caid Essebsi gegründeten Sammelbecken gehören neben säkularen Linken und Liberalen auch arabische Nationalisten und ehemalige Mitglieder der Konstitutionellen Demokratischen Sammlung (RCD) des gestürzten Präsidenten Ben Ali an.

Die anderen Parteien kämpfen indes um Einfluss. Auch dürften die bisherigen linken Regierungsparteien CPR und Ettakatol Beobachtern zufolge von den Wählern für ihre Regierungsbeteiligung wohl eher abgestraft als belohnt werden. Doch bei insgesamt 1320 antretenden Listen und 13.000 Kandidaten (von denen gemäß der neuen Verfassung die Hälfte Frauen sein müssen) haben Tunesiens 5,7 Millionen Wähler ohnehin die Qual der Wahl.

Jugend ohne Jobs


Wer auch immer als Sieger hervorgeht steht vor großen Herausforderungen. Die Wirtschaft hat unter dem politischen Umbruch stark gelitten,die Tourismusbranche, die vor der Revolution noch sieben Prozent des BIP erwirtschaftete, brach ein. Wie schon unter Ben Ali behinderten Korruption, Filz und eine überbordende Bürokratie den Wettbewerb, heißt es in einem Weltbank-Bericht von September.Die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 30 Prozent.