
"Wiener Zeitung":Die Heinrich-Böll-Stiftung ist weltweit aktiv, unter anderem auch in China. Wie gestaltet sich diese Arbeit?
Barbara Unmüßig: Zum Beispiel klären wir auf, was der Verlust der Bodenfruchtbarkeit für die Zukunft der Ernährungssicherheit bedeutet. Wir zeigen, dass chemisierte, technisierte Landnutzung auch ihre Folgen hat. Wir zeigen, dass Stadtentwicklung auch auf der Basis von Nahverkehrsmobilität stattfindet. Wir propagieren die Energiewende. Generell ist unsere Arbeit in China sehr prekär, und wenn ich jetzt darüber spreche, gefährde ich sehr schnell auch Menschen. Prinzipiell sind wir eine Demokratiestiftung und versuchen mit Menschen zu kooperieren, die sich für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte einsetzen, und in vielen Ländern des globalen Südens ist das sehr, sehr schwer und gefährlich. Unsere Partner sind Pioniere, die zum Beispiel auch die Naturzerstörung aufhalten wollen. Wir versuchen aufzuklären, was es bedeutet, wenn der Klimawandel in diesen Regionen ankommt oder welche Folgen es hat, wenn wir unseren hohen Fleischkonsum noch weiter ausdehnen.

Der von Ihrer Stiftung veröffentlichte Fleischatlas rechnet vor, dass die weltweite Fleischproduktion bis Mitte des Jahrhunderts um die Hälfte ansteigen wird. Was sind die Folgen?
Das hat ökologische und soziale Folgen. Wir verseuchen die Böden, wir überdüngen, um Futtermittel anzubauen. Wir bauen Soja in Südamerika an und verdrängen damit Bäuerinnen und Bauern von ihrem Land. Landschaften wie die Pampa umzupflügen hat letztendlich auch Klimafolgen. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ein weltweites Netzwerk und unter anderem Partner in Argentinien. Dort werden mehrheitlich die Sojabohnen für die Mastschweine in Europa angebaut. Den Fleischatlas ins Spanische zu übersetzen und die Menschen dort zu informieren ist immens wichtig. Die zentrale Frage ist, auf wessen Kosten wir hier eigentlich gut leben.
Zum Verzicht auf Fleisch raten Sie jedoch nicht?
Nein, das ist auch nicht notwendig. Information ist die Grundlage, sich selbst zu entscheiden. Das gilt auch für Textilien oder die Haselnüsse in der Schokolade, die in der Türkei mit Kinderarbeit geerntet werden. Der aufgeklärte Bürger entscheidet selbst und kann gleichzeitig Druck auf die Politik ausüben, sich einer anderen Agrarpolitik zuzuwenden. Politischer Handlungswille und individuelle Veränderungsbereitschaft müssen Hand in Hand gehen.