- © Stanislav Jenis
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Der Krieg hat sich verändert, findet der Generaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Als einen Grund dafür sieht er vor allem Verhaltensänderungen der Menschen durch den rasanten technologischen Fortschritt, eines der Hauptthemen beim dritten Humanitären Kongress Wien.

"Wiener Zeitung":Wie beeinflusst technologischer Fortschritt die Arbeit von humanitären Organisationen?

Yves Daccord: Technologie verändert das Benehmen von uns allen, nicht im humanitären Bereich. Wenn man heute nach Somalia fährt, bemerkt man gleich, wie entscheidend etwa mobiler Geldtransfer für die Menschen ist. Sie gehen ganz anders mit ihren Ressourcen um. Gleichzeitig nutzen die Leute ihre Mobiltelefone, um zu vergleichen. Sie erhalten einen Service von uns und fragen: Wieso macht
ihr das hier nicht so wie in einem anderen Land? Wieso waren
die Zelte dort größer? Sie verwenden es wie eine Art Reiseführer.

Wie hilft das dem Roten Kreuz?

Wenn wir etwa nach vermissten Personen suchen, haben wir heute teilweise die Möglichkeit, das in Echtzeit auf unseren Mobiltelefonen zu machen. Das macht einen verdammt großen Unterschied. Wenn es um den Schutz von Menschen geht, machen wir zwar normalerweise alles persönlich, aber manchmal sind wir schon sehr froh, wenn wir ein Satellitenbild haben.

Stimmt es, dass die militante Islamistengruppe Al-Shabaab in Somalia enorm Twitter-affin ist?

Ja! Man könnte fast sagen, dass IKRK Twitter wegen Al-Shabaab für sich entdeckt hat. Die verwenden Twitter seit mindestens vier Jahren. Wir wurden öfter von ihnen auf Twitter attackiert und hatten keine Wahl, als zu antworten. Ein Beispiel ist, dass sie ein Foto von etwas posten, das angeblich ein IKRK-Konvoi ist, und kritisieren, dass dieser sich falsch verhalten hat. Deshalb mussten wir das auch auf Twitter richtigstellen. Plötzlich findet man sich also in diesen sehr offenen Diskussionen mit Gruppen wie Al-Shabaab.

Es gab in letzter Zeit wieder einige gewalttätige Angriffe auf Mitarbeiter des Roten Kreuzes, die auch auf Fehlinformation der lokalen Bevölkerung zurückzuführen sind. Nutzt das IKRK all diese Kommunikationsmöglichkeiten zu wenig, um so etwas zu verhindern?