
New York. Es ist ein Trend, der sich nur schwer übersehen lässt. In den hippen Vierteln von London, New York oder Berlin vergeht kaum ein Tag ohne die Eröffnung einer neuen Saftbar, in Wien stehen die Menschen Schlange vor einem kleinen Eisgeschäft, das vegan produziert. Und die sozialen Medien sind voll mit Bildern von Broccoli-Smoothies. Doch die grüne Revolution ist ein westliches Elite-Phänomen. Wenn die aufstrebende Mittelschicht in Nairobi, Shanghai oder La Paz auswärts essen geht, greift sie lieber zu einem saftigen Stück Steak. Und auch in Westeuropa und den USA dominiert jenseits der trendigen Metropolen proteinhaltiges rotes Fleisch.
Die neuen, alten Essgewohnheiten werden auch ein zentrales Thema sein, wenn ab Freitag rund 160 Staats- und Regierungschefs in New York zusammenkommen, um im Rahmen der 70. UNO-Generalversammlung einen Nachfolger für die 2015 auslaufenden Millenniumsziele (MDG) zu beschließen. Denn die neuen Nachhaltigkeitsziele, auf Englisch kurz SDGs (Sustainable Development Goals), sollen vor allem im Bereich der Hunger- und Armutsbekämpfung unmittelbar dort fortsetzen, wo man zuletzt aufgehört hat. Als am 8. September 2000 in New York die "Millennium Decleration" von 189 Staaten unterzeichnet wurde, hatte man sich zum Ziel gesetzt, die Welt menschlicher und gerechter werden zu lassen. Den Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung in den nächsten 15 Jahren zu halbieren, war dabei eines der wichtigsten Anliegen. Nun, da dies beinahe erreicht wurde, nimmt sich die internationale Staatengemeinschaft mit den SDGs noch deutlich mehr vor. Bis 2030 sollen Hunger und Armut "überall auf der Welt und in jeder ihrer Formen" beseitigt werden.
Um den Hunger aus der Welt zu schaffen, werden die Mächtigen der Welt ihre Bürger aber auch davon überzeugen müssen, dass der Speiseplan der Zukunft ein anderer sein muss. Denn für die Produktion von Rindfleisch wird rund elf Mal so viel Wasser verbraucht wie in der Schweine- oder Hühnermast, die dabei entstehenden klimaschädlichen CO2-Emissionen betragen das Fünffache. Ackerflächen, die zum Anbau von Futterpflanzen eingesetzt werden, könnten viel mehr Menschen ernähren, wenn dort Getreide wächst, aus dem später einmal Brot wird.
Industrieländer in der Pflicht
Der zunehmend problematisch werdende globale Fleischkonsum ist allerdings nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie sehr die Welt zusammengerückt ist. Der Klimawandel wird vor allem durch die Industrienationen und ihre Treibhausgasemissionen verursacht. Die Folgen bekommen aber besonders die weniger entwickelten Länder zu spüren. Die Wüste breitet sich weiter aus, in Afrika fallen Anbauflächen weg. "Man kann den Hunger nicht bekämpfen, ohne den Klimawandel in Betracht zu ziehen", sagt Annelies Vilim, Geschäftsführerin bei der AG Globale Verantwortung, dem Dachverband der heimischen Nichtregierungsorganisationen, die in der Entwicklungszusammenarbeit tätig sind.
Dementsprechend sollen in den nächsten 15 Jahren auch die globalen Zusammenhänge viel stärker berücksichtigt werden: Waren die acht MDG-Ziele nur für die ärmeren Länder formuliert, so gelten die 17 SDG-Vorgaben, die sich wiederum in 169 Unterziele gliedern, für alle. Das macht die Angelegenheit fairer, es ist nicht mehr so, dass der reiche Norden dem armen Süden sagt, wie er etwa für Geschlechtergerechtigkeit und mehr Umweltschutz zu sorgen hat, sondern er muss sich auch selbst messen lassen. Außerdem verändert es den Ansatz. "Es handelt sich nun nicht mehr um Maßnahmen für Entwicklungsländer, sondern um einen gemeinsamen internationalen Plan für die nachhaltige Entwicklung aller", sagt Vilim im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Teilerfolge bei MDGs
Als erste globale Kraftanstrengung für eine gerechte Welt haben die MDGs durchaus Erfolge gebracht - wobei das natürlich auch immer auf den Blickwinkel ankommt. So war etwa eines der Ziele, dass alle Buben und Mädchen eine Grundschule besuchen. Nun sind etwa in Schwarzafrika die Einschulungsraten tatsächlich stark gestiegen. Wurde vor rund 25 Jahren nur die Hälfte aller Kinder eingeschult, sind es nun bereits 80 Prozent. Doch 57 Millionen Kinder können weltweit immer noch nicht zur Grundschule gehen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei einem Blick auf die Müttersterblichkeit. Sie sollte um drei Viertel sinken. Das Ziel wurde fast erreicht, die Todesfälle sanken um knapp die Hälfte. Aber 2013 starben Schätzungen zufolge immer noch knapp 300.000 Mütter bei der Geburt. In einem herrscht unter den Experten aber Einigkeit: Die Millenniumsziele besaßen eine große Symbolkraft und haben die Entwicklungszusammenarbeit spürbar angestoßen. Und vor allem haben sie Themen wie Armutsbekämpfung und Gesundheitsversorgung kanalisiert.
Mit den Nachhaltigkeitszielen soll zudem ein Punkt ausgemerzt werden, den Experten und NGOs im Zusammenhang mit den MDGs immer wieder kritisiert hatten, nämlich dass durch den vergleichsweise engen Fokus etwa Umweltprobleme oder auch Menschen mit Behinderung kaum Erwähnung fanden. Entsprechend umfangreicher fallen nun auch die SDGs aus.