Wien/Teheran. Schuldzuweisungen, harsche Rhetorik, Eiszeitstimmung. Die neue US-Regierung und der Iran schenken sich in diesen Tagen nichts. Nach Teherans Ansicht untergräbt Washington das internationale Atomabkommen. Vorbei sind die Zeiten, als Ex-US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Javad Zarif mehrmals wöchentlich telefonierten und es vermieden, sich über die Medien böse Worte auszurichten.

Diese fehlende freundschaftliche Achse könnte fatale Folgen haben. Kerrys Nachfolger, Rex Tillerson, steht dem Iran-Deal mehr als kritisch gegenüber und hat auf Wunsch seines Chefs, US-Präsident Donald Trump, angeordnet, dessen Sinnhaftigkeit überprüfen zu lassen.

Zudem hat Tillerson vorige Woche kritisiert, dass das Abkommen Irans Streben nach Atomwaffen nur verzögern, aber nicht aufhalten könne. Tillersons Sympathien für Zarif sind ebenfalls begrenzt. Der Iran nutzte diesen unliebsamen US-Kurswechsel in dieser Woche für eine harsche Replik. Abbas Araqchi, der Vizeaußenminister und Atom-Chefverhandler, reiste am Montag höchstpersönlich nach Wien, um sich bei der sogenannten 5+1-Gruppe (fünf UN-Vetomächte plus Deutschland) zu beschweren. "Die USA irritieren die Welt und erzeugen noch mehr Spannungen durch ihr Handeln und durch die Infragestellung des Deals", sagte er sichtlich erzürnt.

Der Atomgipfel in Österreich war das erste Treffen der beteiligten Länder, seit Trump im Amt ist. Außenminister Zarif versuchte seinem Stellvertreter Araqchi von Teheran aus, den Rücken zu stärken. Gegenüber iranischen Medien meinte Zarif, die Aussagen Trumps und seiner Mitarbeiter solle man nicht so ernst nehmen. Trump hatte der Regierung in Teheran vergangene Woche vorgeworfen, nicht genug für die Umsetzung des Abkommens zu tun und dem "Geist des Abkommens" nicht gerecht zu werden. Zarif erwiderte, Trump solle sich an die Verpflichtungen seines Landes halten und "den Geist" beiseitelassen.

In knapp einem Monat finden im Iran Präsidentenwahlen statt. Sollte Amtsträger Hassan Rohani, der den Atomdeal als größte Errungenschaft seiner ersten Amtszeit bezeichnet, mit seiner Wiederwahl scheitern und ein konservativer Hardliner die Wahl gewinnen, könnte das Abkommen auch im Iran in Frage gestellt werden. Worum geht es beim Deal? Der Iran hat sich verpflichtet, seine umstrittene Urananreicherung zu beschränken und sein gesamtes Nuklearprogramm der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) zu unterwerfen. Im Gegenzug hat der Westen sämtliche nuklearbezogenen Sanktionen aufgehoben. Dennoch scheuen sich viele Banken und Großunternehmer, im Iran wieder Fuß zu fassen, da nach wie vor sehr viele US- und EU-Sanktionen wegen Teherans Verbindungen zu Extremisten und wegen Menschenrechtsverletzungen aufrecht sind.

Eine Annäherung der beiden Erzfeinde Iran-USA, die seit fast 38 Jahren keine diplomatischen Beziehungen mehr unterhalten, ist in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich. Denn genauso skeptisch wie die Hardliner rund um Trump sind auch die Ultrakonservativen im Iran. Erst am Dienstag ließ Irans mächtiger Oberster Geistlicher Führer, Ayatollah Ali Khamenei, verlauten, dass er sich als nächsten Staatschef jemanden wünscht, der sich mehr dem Iran selbst widmet und weniger dem Westen nachläuft.

Pulverfass


Gerade aber in Zeiten, in denen das Pulverfass Naher und Mittlerer Osten durch die Konfliktherde in Syrien und im Jemen, sowie durch den Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat täglich zu explodieren droht, braucht es Dialogbereitschaft unter den Hauptakteuren. Mit dem regionalen Erzrivalen Saudi-Arabien unterhalten die Perser derzeit ohnehin keine diplomatischen Beziehungen. Wenn jetzt die direkte Gesprächsbasis zwischen Teheran und Washington auch noch abbricht und im schlimmsten Fall auch noch ein Hardliner nächster iranischer Präsident wird (wonach es momentan allerdings nicht aussieht), dann kann es sehr leicht passieren, dass die Situation in der Region außer Kontrolle gerät.