Caracas. Der Autoverkehr war lahmgelegt: Eine riesige Menschenmenge zog am Wochenende über eine Autobahn durch Venezuelas Hauptstadt Caracas. Die Opposition ist wieder einmal gegen den sozialistischen Präsidenten Nicolás Maduro marschiert. Von hundertausenden Demonstranten war die Rede, auf alle Fälle war es einer der größten Proteste, seitdem vor fast zwei Monaten die Proteste begonnen haben.
Dabei kam es erneut zu schweren Ausschreitungen: Bei diesen wurden nach Angaben der Behörden allein in Caracas rund 50 Menschen verletzt. Die Polizei setzte beim "Marsch der Millionen" massiv Tränengas ein.
Seit April starben bei Protesten und Plünderungen 48 Menschen, es kam zu über 2000 Festnahmen.
Die Opposition wirft Maduro vor, das von einer dramatischen Versorgungskrise erschütterte Land mit den größten Ölreserven in eine Diktatur zu verwandeln. Sie will so lange weiterprotestieren, bis es Neuwahlen gibt. "Je mehr Repression, desto mehr Widerstand und Kampf für Venezuela", sagte Oppositionsführer Henrique Capriles. Maduro wiederum denkt nicht daran, auf die Forderungen der Opposition einzugehen. Somit spitzt sich die Lage immer mehr zu und kann jeden Tag aufs Neue explodieren.
Maduro verlieh dem Militär Sondervollmachten, er wirft der Opposition vor, mit US-Unterstützung einen Putsch vorzubereiten und warnte den amerikanischen Präsidenten Donald Trump, seine "schmutzigen Hände" von Venezuela zu lassen. Zudem zog er zuletzt einen fragwürdigen Vergleich: "Wir sind die neuen Juden des 21. Jahrhunderts", meinte Maduro zu Anhängern. "Wir tragen keinen gelben Stern, sondern haben ein rotes Herz", sagte der bis 2019 gewählte Präsident und versprach: "Wir werden kämpfen."
Auch in der von deutschen Einwanderern gegründeten Stadt Colonia Tovar kam es erstmals zu größeren Ausschreitungen. Der Ort mit seinen rund 20.000 Einwohnern wurde bis auf weiteres unter Militärkontrolle gestellt. Bei Protesten gegen Maduro war dort zuvor der Sitz der Nationalparkbehörde angegriffen worden, Autos gingen in Flammen auf. Die Nationalgarde soll wiederum ein 13-jähriges Mädchen angefahren haben.
Bilder zeigten Tränengaswolken vor dem Stadttor - Colonia Tovar erinnert mit Fachwerkhäusern und Einkehrmöglichkeiten wie dem Café "Muhstall" an den Schwarzwald. Der Ort liegt eine Stunde von Caracas entfernt und ist bei Tagestouristen sehr beliebt. Mit der politischen Krise kommen nun aber viel weniger Gäste.