
Wien. Die Umstände waren ungewöhnlich. Lange hat es gedauert, bis klar war, wo in Wien der rechte russische Soziologe Alexander Dugin am Donnerstagabend seinen Vortrag halten wird - jenen Vortrag, dessen Ankündigung vor einer Woche Staub aufgewirbelt hat. Erst wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung erhielten die geladenen Gäste per E-Mail den Veranstaltungsort, das mazedonische Kulturinstitut in Floridsdorf, mitgeteilt - verbunden mit der Bitte um strengste Diskretion. Man hatte Angst um die Sicherheit des Gastes, der sich mit seinen Ansichten zur Ukraine-Krise allzu sehr exponiert hatte: Dugin hatte 2014 nach dem Aufstand auf dem Maidan und dem Massaker in Odessa empfohlen, Anhänger der prowestlichen Kiewer Regierung zu "töten, töten, töten".
Für das rechte Suworow-Institut, das enge Kontakte nach Russland pflegt, seine Mitglieder in der russischen Kampfsportart Systema ausbildet und unter anderem auch den Dugin-Besuch eingefädelt hat, war das Grund genug, die Gäste am Eingang zu kontrollieren - passenderweise vor einem hell erleuchteten, großen Kreuz neben einer orthodoxen Kirche. Denn sowohl das Suworow-Institut als auch Dugin selbst haben sich einer Mission verschrieben: der Re-Christianisierung des ihrer Ansicht nach dekadenten, konsumistischen, oberflächlichen Europa.
Doch wer ist dieser Alexander Dugin eigentlich? Als im Frühjahr 2014 der Krieg in der Ukraine ausbrach, tauchte sein Name in westlichen Medien erstmals auf - als Vordenker, Inspirator und Chefideologe der Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin. Manches sprach für diese These: So verkündete Putin damals seinen Plan, mit anderen postsowjetischen Staaten eine "Eurasische Union" zu begründen - Dugin gilt als Leitfigur des "Eurasismus" in Russland. Auch sprach Putin davon, dass der Mensch der "Russischen Welt" - ein Terminus, der über die Grenzen Russlands hinausweist - nicht nur für sich da sei, sondern auch für die Gemeinschaft: Eine Aussage, die klingt, als hätte ihm Dugin das Skript geschrieben.
Kurz danach begann jedoch Dugins Stern - jedenfalls offiziell - wieder zu sinken. Das "Töten, töten, töten"-Zitat und die allzu offensive Unterstützung der prorussischen Rebellen im Donbass kosteten ihn seine prestigeträchtige Professur an der Moskauer Lomonossow-Universität. Welchen Einfluss Dugin heute in Russland ausübt, ist unklar. Umtriebig blieb der heute 56-Jährige jedenfalls: Dugin pflegt heute nicht nur Kontakte zu Europas rechten Intellektuellen wie etwa zu dem französischen Philosophen Alain de Benoist, er ist auch international gut vernetzt, etwa im Iran, der Türkei oder in Südamerika.