Womit wir bei US-Präsident Donald Trump wären.

Die heutige Weltordnung wurde von Amerika ersonnen und aufgebaut. Donald Trump sagt nun: Das mag schon sein, dass diese Welt von uns aufgebaut worden ist, aber diese Weltordnung birgt für uns keine Vorteile mehr. Wir haben eine Welt aufgebaut, die nun Deutschland oder China mehr nutzt als uns. Amerika ist für Trump zu einer Geisel dieser Weltordnung geworden. Der Präsident der Vereinigten Staaten sieht nun seine Mission darin, die Welt, die die USA erschaffen haben, zu zerstören. Die Europäer sind natürlich konsterniert. Denn für Sie sieht Donald Trump wie ein Banker aus, der gerade die Bank ausraubt. Und da schießt einem dann durch den Kopf: Moment, vielleicht weiß der Bankräuber ja etwas über
die Bank, das wir noch nicht wissen?!

Welche Rolle wollen die USA in dieser neuen Weltunordnung spielen?

Trump ist der Meinung, dass in einer Welt des Chaos der Stärkere einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Schwächeren hat. Und die Vereinigten Staaten sind eben auf diesem Planeten die mächtigste Macht. Seine Devise lautet eben: "America first". Als George W. Bush über Regime-Change sprach, hatte er den politischen Umsturz in den Ländern der "Achse des Bösen" im Sinn. Auch Donald Trump beabsichtigt einen Regime-Change: Er will einen Regime-Change des Handelsregimes. Dabei unterscheidet er nicht mehr zwischen Demokratien und totalitären Herrschaftssystemen, sondern für Trump sind jene Länder, mit denen die Vereinigten Staaten eine positive Leistungsbilanz haben, gut, und jene Länder böse, mit denen die USA ein Handelsbilanzdefizit haben. Daher ist es nicht überraschend, dass er Deutschland, Südkorea oder China so behandelt, George W. Bush Russland behandelt hat.

Ist in der derzeitigen Weltlage Europa nicht besonders verwundbar?

Absolut. Die Europäische Union fußt auf einer liberalen Weltordnung, auf dem Freihandel, auf einer bestimmten Sicherheitsarchitektur. Was aber die EU zudem verwundbar macht: Die Europäische Union war in den letzten Jahrzehnten - genauer seit 1989 - das einzige politische Gebilde, das seine Grenzen nicht kannte. Unsere wachsende Soft-Power brachte es mit sich, dass sich die Grenzen des europäischen Projekts immer weiter ausdehnten. Und plötzlich begannen wir, unsere eigene Soft-Power zu fürchten. Denn lange Zeit war es so, dass die Menschen jenseits dieser Grenzen so werden wollten, wie wir. Jetzt aber wollen diese Menschen zu uns kommen. Plötzlich verändert sich unsere Nachbarschaftspolitik. Wenn man heute könnte, dann würde man wohl Muammar Gaddafi wiederbeleben wollen, damit dieser die libyschen Grenzen dichtmacht und keine Boote mehr von Libyen nach Europa ablegen lässt. Zuvor erachtete man autoritäre Regimes als Problem, jetzt fürchtet man schwache Demokratien oder Länder ohne starke Regierungen viel mehr.

Die goldene Periode für Europa, die mit den erfolgreichen Revolutionen von 1989 begann, endete mit dem Scheitern des Arabischen Frühlings im Jahr 2013. Und an beiden dieser Zeitpunkte in der jüngeren Geschichte war Europa damit konfrontiert, dass man nicht genau wusste, wo die Grenzen dieses Europa verliefen. Wir haben uns der Illusion hingegeben, dass zumindest in Europa militärische Macht keine Rolle spielt. Europa hat enorm von der Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges profitiert. Ein Teil des Erfolgs Deutschlands war nicht zuletzt, dass man nicht so viel Geld für die Armee ausgeben musste. Nun plötzlich stellt sich für Europa die Frage, ob das Versprechen eines US-Schutzschirms noch gilt? Einige Länder - wie etwa Polen, das gerade Investitionen in Rüstungsgüter in Höhe von zwei Milliarden angekündigt hat - versuchen, sich diesen amerikanischen Schutzschirm auf deise Weise zu erkaufen, andere wollen eine strategisch von den USA unabhängige europäische Streitmacht für die Union schaffen.

Das ist aber viel leichter gesagt als getan, denn mit der Ausnahme Frankreichs ist nach dem Brexit keine Militärmacht eines europäischen Landes in der Lage, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Zudem hat die Flüchtlings- und Migrationskrise gezeigt, dass es ein Vertrauensdefizit zwischen den europäischen Ländern gibt. Eines ist jedenfalls klar: Die Europäer glauben, Donald Trump könne doch nicht so verrückt sein, dass er nicht weiß, wie wichtig Verbündete sind. Wenn man auf dem Globus für Stabilität sorgen will, dann braucht man Alliierte. Wenn man aber die Weltordnung zerstören will, dann braucht man keine Verbündeten. Um ein Haus zu bauen, braucht man die Hilfe von Freunden und Nachbarn. Um es zu zerstören, genügt eine Streichholzschachtel und ein Kanister Benzin. Für den "Disruptor in Chief" sind Alliierte eine Bürde. Verbündete wollen ständig wissen, was man als Nächstes tut, sie wollen informiert werden, sie verlangen nach Koordination. Aber je mehr die Verbündeten wissen, umso weniger kann man das System durcheinanderwirbeln.