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Macron will Proteste beschwichtigen und Wirtschaft bezirzen

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Der französische Präsident legt am Dienstag einen Sozialpakt vor, um die Wogen zu glätten. Unterdessen zeigen sich österreichische Investoren von den Wirtschaftsreformen der letzten Monate angetan.


Wien/Paris. Hinter Frankreich liegt ein turbulentes Wochenende. Rund 100.000 "Gilets Jaune", benannt nach den gelben Warnwesten im Auto, protestierten im ganzen Land gegen die Erhöhung der Spritpreise.

Aber nicht nur Pendler finden sich unter den Demonstranten. Neben der geplanten Steuererhöhung auf Benzin und Diesel ab Jänner 2019 macht sich auch die Abneigung gegen Präsident Emmanuel Macron und dessen Reformpolitik Luft. Der Kurs des Präsidenten, der angetreten war, Frankreich zu erneuern, freut die Unternehmen - und verärgert die kleinen Leute. Der Kurs der letzten 18 Monate wird von vielen Franzosen als Politik für die Reichen wahrgenommen, darunter etwa die umfassende Arbeitsmarktreform und der Verzicht auf eine Vermögenssteuer. Die Regierung des Ex-Investmentbankers will damit Beschäftigung und Investitionen fördern. Doch seit Macrons Antritt stagniert die Arbeitslosigkeit in Frankreich auf einem vergleichsweise hohen Niveau von rund neun Prozent.

Im Zentrum der Proteste steht also allgemeiner die Kaufkraft. Die ist für französische Haushalte zwischen 2008 und 2016 jährlich im Schnitt um 440 Euro gesunken, wie Ökonomen der Pariser Universität Sciences-Po errechnet haben. Laut einer Umfrage des Instituts Ifop für die Zeitung "Journal du Dimanche" sank Macrons Zustimmungsrate im November dann auch auf einen neuen Tiefstand von 25 Prozent.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass der junge Präsident im Ausland mit seinen Auftritten glänzt - in seinem Land in letzter Zeit aber mit überheblichen Sagern für Negativschlagzeilen sorgt. So meinte Macron zu einem jungen arbeitslosen Gärtner, er solle die Branche wechseln, "ich brauche nur über die Straße zu gehen und finde was für Sie". Das fanden die meisten Franzosen wiederum ziemlich respektlos und realitätsfremd.

Macron will den ökologischen Wandel beschleunigen

Doch trotz der lautstarken Kritik hält die Regierung an der Steuererhöhung auf Kraftstoffe fest. Macron will den ökologischen Wandel im Land beschleunigen. So stieß das neue Tempolimit auf Landstraßen im Sommer bereits auf Unmut vor allem in ländlichen Regionen. Statt 90 Kilometer pro Stunde sind seitdem nur noch 80 erlaubt. Bis 2040 will Frankreich überdies den Verkauf reiner Benzin- und Dieselfahrzeuge stoppen, ab 2024 soll in Paris ein Dieselverbot gelten. Die Regierung bleibt von den Demonstrationen aber auch nicht ganz unbeeindruckt. Am Dienstag will Macron einen Sozialpakt vorstellen, um die Proteste abzufedern. Denn nicht nur der soziale Friede im Land ist bedroht, auch ausländische Investoren will man nicht verprellen.

Die lassen sich vom Streikweltmeister Frankreich aber nicht abschrecken. Laut Vertrauensindex in Industrie und Dienstleistungen des Statistikamts Insee befindet sich die Zuversicht der Unternehmen auf einem Höchststand. Die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt ist unter Macron also wieder deutlich attraktiver geworden.

Und auch österreichische Investoren schätzen den Standort. 300 österreichische Unternehmen sind im Land präsent und beschäftigen 11.000 Mitarbeiter. Darunter Mayr-Melnhof, der Kartonhersteller ist mit 100 Millionen Euro bilanziell in Frankreich engagiert und beschäftigt hier rund 300 Mitarbeiter. Vorstandsvorsitzender Wilhelm Hörmanseder schätzt den "wirtschaftlichen Geist" im Land, die Steuerfrage sei für ihn sekundär. Außerdem zählen die Kosten für Strom, Gas und Telekommunikation mit zu den günstigsten in Europa. Auch sei das Land als "Hub" für Westafrika sehr wichtig, so Hörmanseder beim Investor’s Day vor Journalisten in der französischen Botschaft in Wien.

Es sei natürlich schlecht, dass keine Lkw fahren wegen der "Gilets Jaune", doch von der Streikfreudigkeit der Franzosen gibt er sich unbeeindruckt. Er rät, den Großraum Paris, die Region mit der höchsten Firmendichte in Europa, als Investor zu meiden. Mitarbeiter am Land seien loyaler, der Einfluss als Arbeitgeber und Steuerzahler auf die Politik in der Provinz zudem viel größer als in der Ile-de-France.

Management mit österreichischer Konsenskultur

Die österreichischen Investorenvertreter, darunter auch Christoph Salzer vom Immobilienentwickler Warimpex und Bernd Eder von Kapsch CarrierCom, sind sich einig, dass man mit dem "österreichischen Weg" in Frankreich viel erreichen könne. Die österreichische Managementkultur, die geprägt davon ist, mit allen zu reden und einen Kompromiss zu finden, durchbricht das Hierarchiedenken der Franzosen und die Streitkultur. Streiks sind für die Unternehmensvertreter an ihren französischen Standorten so gut wie kein Problem. Salzer bewertet die Reformansätze Macrons durchweg positiv. Es gebe bereits massiv weniger Rechtskonflikte und mehr Planungssicherheit. Auch Eder sieht in den bisher umgesetzten Reformen die richtigen Maßnahmen. Das Risiko neue Arbeitnehmer einzustellen, sei nun etwa viel geringer.

Kritisch sehen die Investorenvertreter aber den Punkt Bildung. Auf hohem Niveau sei die Ausbildung exzellent, etwa im Bereich Ingenieurwesen. Doch das "Mittelstück" fehle und damit der "Kitt der Gesellschaft", so Hörmanseder. Arbeiter absolvieren selten eine Lehre, das Handwerk hat keinen guten Ruf. Wählen in Österreich 40 Prozent der Jugendlichen eine Lehre, sind dies in Frankreich lediglich sieben Prozent. Ein duales Bildungssystem existiert in Frankreich nicht, was den Unternehmen einige Sorgen bereitet. "Es fehlt nicht die Arbeit, sondern der Arbeiter", betont Hörmanseder. Ob sich Macron bei seinen Investitionen in die Weiterbildung von Arbeitslosen und Jugendlichen künftig vom österreichischen System inspirieren lässt, bleibt abzuwarten.

Dass die Reformen spürbar positive Früchte für die Bevölkerung tragen werden, muss Macron in den nächsten 3,5 Jahren beweisen. Am 22. Jänner findet in Versailles ein internationaler Wirtschaftsgipfel statt. 140 internationale Konzerne werden hier bezirzt - sie sollen in den nächsten fünf Jahren drei Milliarden Euro in Frankreich investieren und 2200 neue Jobs schaffen.