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Mehr Chancen, weniger Krise

Von Klaus Huhold

Wirtschaft

Das EU-Afrika-Forum in Wien sollte Geschäftskontakte intensivieren und das innovative Afrika in den Vordergrund stellen. Durch die Hintertür kam aber wieder das unvermeidliche Thema Migration hinein.


Wien. Ein Kind mit Hungerbauch und Fliegen im Gesicht, das vor einer ausgedörrten Landschaft steht. Kaum ein Bild hat die Wahrnehmung von Afrika so geprägt wie dieses Sujet, das sich früher auf dem Folder unzähliger Hilfsorganisationen befand. In den vergangenen Jahren hat sich ein weiteres Bild ganz stark ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: das überfüllte Flüchtlingsboot am Mittelmeer. Afrika, der Krisenkontinent, Afrika, der Hungerkontinent, Afrika, der Flüchtlingskontinent - das sind noch immer die in Europa zumeist vorherrschenden Assoziationen.

Doch es gibt auch ein anderes Afrika. Es ist das Afrika, in dem in Kenia M-Pesa entwickelt wurde - ein Bezahldienst, der Transaktionen über Mobiltelefone ermöglicht und von mehr als 30 Millionen Menschen in Ostafrika genutzt wird. Es ist das Afrika, in dem in Ländern wie Botswana oder Südafrika pro Kopf mehr Handyverträge unterschrieben werden als in Österreich. Ein Afrika, in dem die App M-Farm entwickelt wurde, die Bauern aus entlegenen Regionen mit Abnehmern ihrer Produkte verbindet und diesen so den teuren Umweg über Zwischenhändler erspart.

Und genau um den Chancenkontinent Afrika sollte es beim EU-Afrika-Forum am Dienstag in Wien gehen. Ziel des Treffens war es, "dass Afrika als ein Ort wahrgenommen wird, der Möglichkeiten bietet", sagte der derzeitige Vorsitzende der Afrikanischen Union, Ruandas Präsident Paul Kagame. Bundeskanzler Sebastian Kurz meinte, dass das Treffen, das unter dem Motto "Digitalisierung und Innovation" stand, dazu beitragen sollte, "ein anderes Narrativ von Afrika" zu schaffen. Er habe bemerkt, wie sehr die Afrikaner frustriert seien, wenn es bei hochrangigen Treffen ständig um Migration gehe.

Staatschefs, Minister, CEOs

Kagame war auf afrikanischer Seite der Mitausrichter des Forums, das den letzten Höhepunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft darstellte. Teilnehmer waren Vertreter von 25 afrikanischen Staaten, darunter sieben Staats- und Regierungschefs, 13 europäische Staats- und Regierungschefs sowie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Spitzenmanager von großen Konzernen wie etwa Siemens-Chef Joe Kaeser waren ebenso dabei wie die Gründer von Start-ups und kleinen Firmen. Die Zusammenkunft sollte "die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika stärken", sagte Kurz.

Dieses Vorhaben sollte sowohl durch politische Verhandlungen als auch durch das Knüpfen von Geschäftskontakten vorangetrieben werden. Auf politischer Ebene waren aber die stärksten europäischen Akteure in Afrika - die ehemaligen Kolonialmächte England und Frankreich - nur mit ihren Staatssekretären vertreten. Auch Deutschland schickte lediglich den Afrika-Beauftragten von Kanzlerin Angela Merkel und keinen Minister. Allerdings waren etliche EU-Kommissare anwesend.

Einige Initiativen gelangten zum Abschluss. So haben mehrere afrikanische Länder Kreditabkommen mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) unterzeichnet. Insgesamt sagte die EIB Kredite im Ausmaß von 500 Millionen Euro für Investitionen in Afrika zu. So werden etwa 140 Millionen in die Elektrizitätsverbindung zwischen Guinea und Mali fließen.

Ebenso wurde das Nasira-Abkommen unterzeichnet. Die Kommission garantiert damit 75 Millionen Euro für die Förderung kleinerer Unternehmen in der Nachbarschaft Europas und in Subsahara-Afrika. Insgesamt soll die Initiative aber laut Juncker als Hebel wirken, der Investitionen in der Höhe von 750 Millionen Euro freisetzt und 800.000 Arbeitsplätze schafft.

Suche nach Investoren

Für die Förderung von Geschäftskontakten waren im Austria Center eigene Räumlichkeiten hergerichtet worden, damit sich Unternehmer, Investoren und Interessierte austauschen konnten. Hier waren die CEOs von Großkonzernen zugegen, hier suchten Betreiber von Mittel- und Kleinunternehmen - europäische, afrikanische oder solche der afrikanischen Diaspora - neue Netzwerke und Investoren.

Eine der Teilnehmerinnen war Joana Adesuwa Reiterer. Sie pendelt zwischen Nigeria und Österreich, betreibt Schneidereien, in denen Opfer von Menschenhandel eine neue Chance bekommen. Vertrieben werden die Produkte von "Joadre Fashion" bereits von rund 20 Geschäften in Österreich. "Nun baue ich gerade eine digitale Bildungsplattform auf", erzählte sie der "Wiener Zeitung", nachdem sie sich mit einem potenziellen Geschäftspartner ausgetauscht hat. Ziel der Plattform sei es, afrikanische Jungunternehmer zu trainieren - und diese enger mit der afrikanischen Diaspora zu verknüpfen. Denn deren Geldsendungen könnten in einem viel stärkeren Ausmaß afrikanischen Firmengründern zugutekommen.

Jobs für Stabilität

Einige neue Netzwerke, einige neue Geschäftskontakte und einige Abkommen - das ist es wohl auch das, was von dem Forum bleiben wird. Den großen Wurf in der Afrika-Politik hat es nicht gebracht, das war aber auch nicht sein Anspruch und ist derzeit auch nicht möglich. Denn die Afrika-Politik der EU leidet darunter, dass zwar eine Vielzahl von Initiativen gesetzt werden, diese aber nicht einen gemeinsamen Rahmen besitzen.

Durch die Hintertür hat sich dann aber doch wieder das Thema Migration eingeschlichen, das die Veranstalter diesmal großteils aussparen wollten. So wurde von verschiedenen Rednern betont, dass nur Jobs und Perspektiven die junge Bevölkerung in Afrika halten könnten, wozu wiederum bei diesem Gipfel beschlossene Investitionen einen Beitrag leisten könnten. Und Kommissionspräsident der Afrikanischen Union Moussa Faki Mahamat konnte sich einen Seitenhieb auf den Veranstalter nicht verkneifen, als er sagte, dass er doch sehr überrascht war, "dass einige europäische Länder den Migrationspakt nicht unterschrieben haben".

Das Thema Migration wird wohl weiter den Afrika-Diskurs in Europa dominieren. Zu sehr ist es dafür in der europäischen Öffentlichkeit und der politischen Debatte präsent, und solange die Verhältnisse sind, wie sie sind, wird es weiterhin bei vielen jungen Afrikanern den Wunsch nach Auswanderung geben. Aber vielleicht weitet sich künftig das Afrika-Bild in Europa ein wenig, wird auch mehr das andere innovative, aufstrebende Afrika gesehen. Dann hätte das Forum eines seiner Ziele erreicht.