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Zwölf Zylinder waren gestern

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Das Auto von morgen wird zunehmend auf der Elektronikmesse CES präsentiert. Klassische Autosalons verlieren an Bedeutung.


Las Vegas/Wien. Auf den ersten Blick bietet die diesjährige Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas kaum Neues. Wie schon im vergangenen Jahr stehen bei der weltweit wichtigsten Elektronikmesse, die am kommenden Dienstag für vier Tage ihre Tore öffnet, künstliche Intelligenz und die Personalisierung elektronischer Produkte im Mittelpunkt. Und statt großer Revolutionen wird es vor allem Evolution zu sehen geben. So sollen die Sprachassistenten von Herstellern wie Apple oder Amazon noch schlauer sein als zuvor und Gesichtserkennungsprogramme nicht nur den Zutritt ins Eigenheim regeln, sondern auch Kosmetiktipps geben.

Eine Automesse fast ohne Autos

Doch besonders für eine Branche ist die CES mittlerweile zu einer fast schon disruptiven Veranstaltung geworden, die jahrzehntelange Traditionen über den Haufen wirft. Denn obwohl es auf den 250.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche keine Ansammlung hochpolierter Autos zu sehen geben wird, hat die Messe in Las Vegas klassische Auto-Salons wie die nur wenige Tage später stattfindende Detroit Auto Show oder die IAA in Frankfurt bereits ins Abseits gedrängt. So zeigt Audi bei der CES sein brandneues Elektro-Suv e-tron, das in den kommenden Wochen auf den Markt gebracht werden soll und als echte Konkurrenz zu den Modellen des bisherigen US-Technologieführers Tesla gilt. BMW stellt in Las Vegas ein autonom fahrendes Motorrad vor, Honda ein selbstfahrendes Geländefahrzeug. Toyota ist mit dem Brennstoffzellenantrieb, der großen Zukunftshoffnung neben dem batterieelektrischen Antrieb, vertreten und VW stellt bei der CES seine mobilen Schnell-Ladestationen vor.

Dass die Musik der Autowelt zunehmend in Las Vegas spielt, bekommen die klassischen Automessen dabei schmerzlich zu spüren. So haben Aston Martin, Chevrolet, Dacia, Mitsubishi, Nissan, Renault, Rolls Royce und Volvo bereits jetzt für die in neun Monaten stattfindende IAA abgesagt. Im Vergleich mit der Detroit Auto Show geht es der Messe in Frankfurt allerdings noch immer vergleichsweise gut. Denn der größte Autosalon Nordamerikas kämpft wegen des Austellerschwunds der vergangenen Jahre sogar ums Überleben. 2020 soll die Detroit Auto Show daher erstmals nicht mehr im Jänner über die Bühne gehen, sondern im Juni, um große Hersteller wie Audi, BMW oder Mercedes nach ihrem diesjährigen Fernbleiben doch wieder ins am Detroit River gelegene Cobo Center zu locken.

Ob Terminverlegungen reichen, um das antiquierte Konzept der klassischen Automessen zu retten, ist allerdings fraglich. Denn für die Veranstaltung in der US-Glücksspielmetropole sprechen nicht nur das enorme Medieninteresse und der Workshop-Charakter, der es erlaubt, dass sich Entwickler und Entscheider bei Konferenzen austauschen. "Die CES ist vor allem ein Sinnbild für die Veränderung des Autos", schreibt der deutsche Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer in einer Analyse. "Früher ging es um schöne Karossen, den Zwölf-Zylinder unter der Haube und Hochgeschwindigkeitsfahrwerke. Heute ist Technik das, was wir in Las Vegas sehen: das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz und selbstfahrende Autos."

Handelsstreit belastet

Frei von Zukunftssorgen ist man allerdings auch bei der CES nicht. Denn der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit mit China und der EU, der wie ein dunkler Schatten auf Aktienkursen und Konjunkturerwartungen liegt, dürfte die Autobauer gleich mehrfach treffen. So haben die durch Zölle gestiegenen Materialkosten bereits jetzt auf die Margen gedrückt und die Gewinne der Hersteller sinken lassen. Sollte die Weltwirtschaft aufgrund des Handelsstreits spürbar an Fahrt verlieren, würden wegen der geringeren Konsumlaune der Autokäufer dann auch noch zusätzliche Absatzprobleme in den oft ohnehin schon schrumpfenden Märkten hinzukommen.