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Finaler Kampf um Nord Stream 2

Von Gerhard Lechner

Wirtschaft

Die USA versuchen mit Sanktionsdrohungen, Firmen von der Beteiligung an dem deutsch-russischen Pipelineprojekt abzubringen.


Berlin/Wien. Richard Grenell, der von US-Präsident Donald Trump vergangenen Mai nach Berlin entsandte US-Botschafter, entspricht nicht ganz dem, wie man sich einen Diplomaten vorstellt. Der 52-Jährige mit dem Aussehen eines Bodybuilders ist in den wenigen Monaten seiner bisherigen Dienstzeit eher nicht durch typisch diplomatisch-vieldeutige Aussagen aufgefallen. Ganz im Gegenteil. Bereits am Tag seines Dienstantritts, dem 8. Mai, verlangte er von der deutschen Wirtschaft den Rückzug aus dem Iran. Widrigenfalls würden den Firmen Sanktionen drohen.

In Deutschland löste dieses undiplomatische Vorgehen Verstimmung aus. Wirksam war es dennoch: Vor die Wahl gestellt, mit dem Iran oder den USA Geschäfte zu machen, entschlossen sich viele deutsche, österreichische und europäische Firmen, lieber in den sauren Apfel zu beißen und die Zelte im Iran abzubrechen. Das Mullah-Regime von Teheran stürzte daraufhin in eine Wirtschaftskrise, die Währung Rial verlor rapide an Wert.

OMV hat keinen Brief erhalten

Nun hat Grenell erneut für Aufsehen gesorgt. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der US-Botschafter deutschen Firmen, die am Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 mitwirken, einen Brief geschickt hatte. Grenell drohte darin, dass die Beteiligung an dem von Deutschland und Russland vorangetriebenen Projekt US-Sanktionen nach sich ziehen könnte. Am Dienstag bekräftigte der Botschafter seine Drohungen in einem Interview mit der "Rheinischen Post".

Der Bau der 1200 Kilometer langen Trasse unter der Ostsee hat bereits begonnen. Ende des Jahres soll bereits das erste Gas durch die Röhre gepumpt werden. Auch die österreichische OMV ist an dem Projekt als Finanzierungspartner beteiligt. OMV-Vorstand Manfred Leitner gab bekannt, dass das Unternehmen keinen Brief von Grenell erhalten habe, und verteidigte die Pipeline. Sie sei für Europas Versorgungssicherheit "extrem wichtig".

Nord Stream 2 ist in Europa heftig umstritten. Trotz des bereits erfolgten Baubeginns wollen neben den USA auch einige osteuropäische Staaten wie Polen und die Ukraine das Projekt noch stoppen. Sie argumentieren, dass von Russland eine Gefahr ausgeht. "Für die Ukraine gibt es aber noch ein zweites Argument, und das sind die Gas-Transitgebühren. Sie sind eine wichtige Einnahmequelle und machen zwei Prozent des BIP aus. Wenn die Pipeline in Betrieb geht, würde der Gastransit Richtung West- und Mitteleuropa über Nord Stream 2 gepumpt werden. Der Ukraine blieben nur noch die Lieferungen Richtung Balkan. Mehr als die Hälfte des Gastransits würde wegfallen", sagt Vasily Astrov, Osteuropa-Experte am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Moskau hätte damit auch mehr Möglichkeiten, Druck auf Kiew auszuüben - was man in der Ukraine fürchtet.

Russland auf EU angewiesen

Dass sich Europa mit Nord Stream 2 in eine allzu starke energiepolitische Abhängigkeit zu Russland begibt, glaubt Astrov nicht. Er verweist im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" darauf, dass durch den Pipelinebau umgekehrt auch Russland von Europa stärker abhängig werde. "Die Abhängigkeit Russlands von Europa ist ohnehin viel größer als umgekehrt", sagt Astrov. "Die EU ist schließlich nicht nur der wichtigste Abnehmer von russischem Öl und Gas, sondern außerdem der Markt, wo Russland den besten Preis für sein Gas erzielen kann", gibt der Osteuropaexperte zu bedenken. Trotz der Umorientierung Richtung China in den letzten Jahren sei Moskau auf seinen wichtigsten Handelspartner Europa angewiesen. Durch mehr Wirtschaftsbeziehungen könnte man die russische Politik eventuell auch stärker beeinflussen.

Die Motive der USA, die deutsch-russische Pipeline zu verhindern, sind sowohl geopolitischer wie wirtschaftlicher Natur. In den letzten Jahren haben sich die USA dank Fracking von einem Energieimporteur zu einem Exporteur gewandelt. Nun will man das überschüssige Gas nach Europa verkaufen. "Von den Preisen her kann US-Flüssiggas mit russischem Gas aber nicht konkurrieren. US-Gas rentiert sich nur in Asien", sagt Astrov.