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"Gelegenheit macht Diebe - überall"

Von Alexander Dworzak

Wirtschaft

Alexander Picker, Geschäftsführer von Transparency International in Österreich und Ex-Banker, über die schwierige Korruptionsbekämpfung.


Wien. Zwei bis drei Monate veranschlagt die Raiffeisen Bank International für die Überprüfung, ob die aktuellen Geldwäsche-Vorwürfe auf die österreichische Bank zutreffen. Denn Anfang März wurden Vorwürfe laut, insgesamt 4,4 Milliarden Euro aus Russland könnten in der EU gewaschen worden sein (siehe Kasten).

Anzunehmen ist, dass in einem ersten Schritt sämtliche Kontobewegungen von der RBI überprüft werden. "Banken verfügen über eine Software, die alle Transaktionen überwacht. Hierbei gibt es 64 verschiedene Parameter, die unterschiedlich kalibriert sein können", sagt Alexander Picker im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Laut dem Ex-Banker, nunmehr Geschäftsführer des Österreich-Ablegers der NGO Transparency International (TI), könnten beispielsweise Transaktion aus Steueroasen oder hochkorrupten Ländern, etwa den Cayman Islands oder der Republik Moldau, in internen Kontrollsystemen automatisch als verdächtig gemeldet werden. Diese Entscheidungen muss jede Bank für sich treffen - und entsprechend administrieren.

"Banken sind faul bei Veränderungen"

"Der Gesetzgeber schiebt den Banken die Verantwortung zu", erklärt Picker. Dementsprechend kamen 99 Prozent der knapp 3000 Geldwäscheverdachtsmeldungen in Österreich im Jahr 2017 von den Banken selbst. Wer in Risikogebieten wie Russland operiert, wird häufiger geprüft. Alle ein bis zwei Jahre seien Vor-Ort-Prüfer in den Häusern, so die Finanzmarktaufsicht.

Gesetze, um Transparenz im Bankensektor zu schaffen und Korruption einzudämmen, sind noch jung. Sie kamen ab den 1980ern aus dem angloamerikanischen Raum. "Transparenz und Bankengeschäft passen auf den ersten Blick nicht zusammen", meint Alexander Picker. "Früher herrschte noch das Verständnis, man wird ohnehin nicht erwischt, auch in Österreich." Die Skandale um die Bawag und die Hypo Alpe Adria hätten aber auch hierzulande zur Schärfung des Problembewusstseins beigetragen. "Banken sind faul bei Veränderungen. Aber sie setzen diese um, wenn Kunden und Regulatoren darauf bestehen."

Rang 14 nimmt Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex von TI ein. Als sauberstes Land gilt Dänemark. Ausgerechnet das größte Finanzhaus des Landes, die Danske Bank, ist Hauptakteurin eines noch viel größeren Skandals. Bei deren estnischen Niederlassung soll der Großteil der Transaktionen von 2007 bis 2015 in Höhe von rund 200 Milliarden Euro verdächtig gewesen sein. Die Gelder flossen vor allem aus Russland und anderen früheren Sowjetrepubliken. Estlands Finanzaufsicht wirft die Danske Bank daher aus dem Land, acht Monate hat das Institut Zeit, um seine Niederlassung zu schließen.

Entsendung von Mitarbeitern oder lokales Personal?

"Die Danske Bank hat sich zu wenig gekümmert, was in Estland geschieht", sagt TI-Vertreter Picker. Er verweist auf ein prinzipielles Problem, wenn Banken aus Ländern mit höheren Standards neue Märkte erschließen. "Wenn eine österreichische Bank am Balkan lediglich Österreicher entsendet, gerät sie in den Verdacht von kolonialistischem Gehabe. Die Hypo Alpe Adria griff am Balkan auf lokales Personal zurück - und das war hochkorrupt."

In vielen Ländern benötigt es noch Zeit, um eine neue Denkweise zu etablieren, meint Picker. Er blickt auf eine 30-jährige Karriere im Bankensektor zurück, die ihn auch in Staaten geführt hat, welche im Index von Transparency International unter ferner liefen rangieren: Serbien (Platz 87 von 180 untersuchten Ländern), Bosnien-Herzegowina (89), Kasachstan (124), Russland (138) und Tadschikistan (152). "In Zentralasien war ich konfrontiert mit schwarzen Kassen, um Steuerbeamte und Richter zu bestechen", erzählt Picker. "War ich schon in Versuchung bestochen zu werden oder zu bestechen? Ja!"

Picker sieht die Berichte über Korruptionsfälle nicht als Zeichen für mehr Korruption, sondern dass diese nun aufgedeckt wird. Er hofft auf weitere Enthüllungen, auch dank der EU-weiten Mindeststandards zum Schutz der Whistleblower, auf die sich Unionsländer und Europaparlament diese Woche geeinigt haben.

EU-Staaten verwerfen Risikoliste der Kommission

Einstimmig zurückgeworfen haben die Länder hingegen die Liste der Kommission über 23 Staaten außerhalb der Union - darunter Afghanistan, Iran und Saudi-Arabien -, welche nicht genug gegen Geldwäsche unternehmen würden. Das EU-Parlament kritisierte die Unionsländer dafür und verwies zusätzlich auf Russland, das gar nicht Teil der Liste ist. Mehrere parlamentarische Ausschüsse hätten Bedenken hinsichtlich des russischen Systems zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung aufgeworfen.

Alexander Picker sieht jedoch selbst in Russland Zeichen der Besserung: Die Zentralbank nehme Terrorismus-Finanzierung genau unter die Lupe. Die Bankenaufsicht sei verschärft worden, und strikte Vorschriften zur Regeltreue von ausländischen Konzernen würden auch für den russischen Markt gelten.

Aber: "Gelegenheit macht Diebe - überall. Und Banken bieten genug Gelegenheiten, schließlich liegt genug Geld herum. Alles hängt vom internen Kontrollsystem ab", so Picker.

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Geldwäsche-Vorwürfe <p>(da) Von der Deutschen Bank, über Credit Agricole, Nordea bis hin zu ING und Abn Amro: Europäische Großbanken tauchten vor Kurzem im Zusammenhang mit einem möglichen Geldwäsche-Skandal auf. Umgerechnet 4,4 Milliarden Euro sollen von 2006 bis 2013 aus Russland geflossen sein, berichtete der internationale Rechercheverbund OCCRP.

Im Mittelpunkt steht die russische Bank Troika Dialog. Kunden sei mithilfe eines Netzes von 75 Tochterunternehmen ermöglicht worden, mit dem gewaschenen Geld auf Einkaufstour zu gehen. Eine Schlüsselrolle in diesem Netzwerk soll die litauische Bank Ukio gespielt haben. Aber diese benötigte den Recherchen zufolge Konten in der Eurozone - der baltische Staat trat erst nach dem Transaktionszeitraum, 2015, dem Währungsraum bei.

An dieser Stelle kommen die Großbanken aus der Eurozone ins Spiel, darunter auch die österreichische Raiffeisen Bank International (RBI, ehemals RZB). Laut "Addendum" und "Profil" sollen umgerechnet 559 Millionen Euro von Ukio-Konten auf Konten der RBI überwiesen worden sein. Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien ist eine Anzeige gegen unbekannt eingegangen. Die Bank leitete eine Untersuchung über die Geschäftsbeziehungen zur Ukio ein.