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Das selbstfahrende E-Auto soll es richten

Von Bernd Vasari aus Berlin

Wirtschaft
Die Zukunft des urbanen Verkehrs ist intermodal und vernetzt.
© Continental AG

Selbstfahrende Stromautos als Heilsbringer gegen verstopfte Straßen und Klimawandel. Darauf verständigte sich die deutsche Autoindustrie bei ihrem Jahrestreffen in Berlin.


Berlin. Städte wachsen. Das Klima wandelt sich. Das sind keine neuen Erkenntnisse. So wissen etwa die Wiener, dass immer mehr Menschen in ihre Stadt ziehen. Sie wissen auch, dass sie an manchen Februar-Tagen ohne zu Frieren mit dem T-Shirt im Freien sitzen können. Doch was ist die Lösung gegen volle Städte und Klimawandel?

Ein weltweiter Indikator für diese Veränderungen ist der steigende Autoverkehr in urbanen Zentren. 109 Stunden verbrachte im vergangenen Jahr ein Wiener Autofahrer im Stau. In Rom, Paris, London waren es mehr als 200 Stunden. Auch die Parkplatzsuche kostet viel Zeit. Insgesamt 560 Millionen Stunden suchen die Deutschen jährlich einen Platz für ihr Gefährt. Neben persönlichem Zeitverlust, steigt dabei auch die Verschmutzung der Umwelt durch die freigesetzten Abgase. Deutschlands Autobauer wollen nun entgegensteuern, der Umwelt zuliebe, heißt es. Bei ihrem jährlichen Treffen in Berlin sind sie sich weitgehend einig: Das selbstfahrende E-Auto soll es richten.

Bernhard Mattes, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA) gibt bereits bei seinem Eingangsstatement die Richtung vor. "Wir leiten einen Strukturwandel ein. Die Zukunft des Verkehrs ist intermodal und vernetzt." Deutlicher konnte er nicht sagen, dass nun kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, die bevorstehende Mobilitätswende das Straßenbild radikal verändern wird. "Wir stehen vor einer gewaltigen Herausforderung", sagt er.

Mattes vergleicht den Strukturwandel mit einer Gipfelbesteigung. So, als könne er es selbst noch nicht glauben, fragt er die anwesenden Manager von Deutschlands wichtigster Branche: "Sind wir bereit für den Aufstieg? Kennen wir die Route?" Dann antwortet der Präsident selbst: "Wir nehmen die Herausforderung an."

Selbstbewusst betont Mattes: "Weltweit kommt jedes dritte Patent im Bereich Hybrid- und E-Antrieb aus Deutschland." Auch an der Entwicklung von Wasserstoff- und Brennstoffzellen werde gearbeitet. "Wir sind erst am Beginn bei der Ausnutzung der Möglichkeiten."

Aufseiten derUmweltschützer

Optimistische Worte von jemanden, der vor kurzem noch anders dachte. Im Vorfeld des Treffens räumte Mattes ein: "Ich hätte es im Jahr 2015 nicht für möglich gehalten, dass sich die Autobranche so schnell so radikal wandelt." Dass der Weg der Branche vom Umweltsünder in Richtung Vorzeige-Öko nun eingeschlagen wurde, verdeutlicht Mattes selbst. E-Mobilität soll nur mit grünem Strom betrieben werden, sagt er. Von der Politik fordert er zudem mehr Ladeinfrastruktur. Klingt so, als hätten sich die Autobauer auf die Seite der Umweltschützer geschlagen.

Der Schwenk der Autoindustrie ist neu, aber nicht verwunderlich. Der Umweltgedanke klingt gut, drei andere Bereiche wiegen jedoch schwerer. In zwei Jahren darf der durchschnittliche CO2-Flottenausstoß laut EU-Vorgaben nicht mehr über 95 Gramm liegen. Schaffen die Hersteller ihre Ziele nicht, drohen milliardenschwere Strafzahlungen. Weiters geht es darum technologisch mit China mitzuhalten. Die chinesische Regierung hat ihre Autoindustrie als Leitbranche definiert und setzt bedingungslos auf Stromantrieb. Zudem geht es ums Geschäft. "Mit der Automatisierung des Verkehrs gibt es neue Möglichkeiten Geld zu verdienen", sagt Helge Neuner, Leiter der VW-Forschungsabteilung Automatisches Fahren.

Gerade der von Abgasskandalen gebeutelte Autobauer macht nun vor, in welche Richtung es in der Branche geht. 7000 Stellen streicht VW in den kommenden fünf Jahren. Statt in Mitarbeiter investiert der Konzern in E-Mobilität und vernetztes, automatisiertes Fahren.

70 neue vollelektrischeModelle bis 2028

"Wir haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet und wollen unsere CO2-Emissionen bis 2050 auf null bringen", sagt VW-Markenvorstand Thomas Ulbrich. "Die Vision der CO2-neutralen Mobilität ist nun Bestandteil der Unternehmensphilosophie." Bis 2028 will VW 70 neue vollelektrische Modelle auf den Markt bringen. Das Ziel: Bezahlbare E-Autos für alle. Auch Ulbrich sieht die Politik in der Pflicht. Er fordert einen Masterplan.

Doch wie wird sich das Stadtbild künftig verändern? "Es wird eine Vielzahl an selbstfahrenden Fahrzeugen geben, auch fliegende", sagt Wolfgang Müller-Pietralla, Zukunftsforscher bei VW. Sie werden digital vernetzt sein, die Bedienung wird per Smartphone erfolgen.

"Die Übergangsphase hat begonnen", sagt Tom Vöge, Verkehrsexperte vom Weltverkehrsforum der OECD. Wann die ersten selbstfahrenden Autos auf der Straße sein werden, könne er aber nicht sagen. Es werde in Schritten passieren. Zuerst das selbsteinparkende Auto, dann selbstfahrende Öffis, später Robotaxis.

Mit dem vernetzten, autonom fahrenden Auto werde die zeitraubende Parkplatzsuche wegfallen, heißt es von Befürwortern. Ob es dann auch zu weniger Stau kommen werde, bezweifelt Vöge. "Es könnte ja auch sein, dass kein Mensch drinnen sitzt und Einkäufe transportiert werden." Der positive Verkehrseffekt wäre damit dahin. "Der Stau wird dann besser vernetzt, intelligenter und automatischer sein. Er geht aber nicht weg."