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Sesam öffne Dich: Kurz besucht Alibaba

Von Thomas Seifert aus Hangzhou

Wirtschaft
Bundeskanzler Sebastian Kurz, Jack Ma (Mitte) und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
© Thomas Seifert

China-Reise des Kanzlers begann mit Visite beim reichsten Mann Chinas, Jack Ma, und seinem Online-Handelsriesen.


Hangzhou. Jack Ma, Firmengründer des chinesischen E-Commerce-Giganten Alibaba, ist mit 39,6 Milliarden Dollar (35,4 Milliarden Euro) Vermögen der reichste Mann Chinas und findet sich auf Platz 21 der "Forbes"-Liste der reichsten Menschen der Welt. Ihm stattete Bundeskanzler Sebastian Kurz gemeinsam mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner einen Besuch im Hauptquartier des im Jahr 1999 gegründeten Unternehmens ab.

Glas, Beton, Sonnensegel, in Beton eingefasste Wasserbecken. Unaufdringliche und doch nicht zu steril geratene Büroarchitektur auf 150.000 Quadratmetern mit viel Grün. Rund 10.000 Mitarbeiter arbeiten im Headquarter in der am Qiantang-Fluss unweit von Schanghai gelegenen Neun-Millionen-Einwohner-Stadt Hangzhou.

Alibaba wird oft als die chinesische Antwort auf den 1994 gegründeten US-E-Commerce-Riesen Amazon (Marktkapitalisierung: 847 Milliarden Dollar) bezeichnet. Im selben Jahr, in dem der heute 54-jährige Jack Ma das Unternehmen 1999 aus der Taufe hob, wurde Amazon-Gründer Jeff Bezos vom US-Magazin "Time" zum "Mann des Jahres" gekürt. Alibaba ist aber kein Amazon-Klon, eher so etwas wie ein Zwischending aus eBay und Amazon, ein digitaler Marktplatz, der Käufer und Verkäufer zusammenbringt. Alibaba verkauft im Unterschied zu Amazon selbst keine Waren, versucht also nicht, mit Anbietern auf der Handelsplattform in Konkurrenz zu treten.

Der Umsatz des Unternehmens entwickelte sich rasant: Von 6,7 Milliarden Yuan (0,82 Milliarden Euro) im Jahr 2010 auf 250 Milliarden Yuan (33,2 Milliarden Euro) im Jahr 2018 (zum Vergleich Amazon: 233 Milliarden Dollar entspricht 208 Milliarden Euro). Der Alibaba-Börsenwert liegt aktuell bei 420 Milliarden Dollar (375 Milliarden Euro).

Wie stark Alibaba aber in China ist, stellte das Unternehmen erst vor ein paar Tagen unter Beweis, als Amazon bekanntgeben musste, dass der US-Onlinehändler sich aus China zurückzieht.

Datenschutz kein Thema

Amazon konnte im Reich der Mite nie wirklich Fuß fassen. Denn Alibaba verfügt über ungleich mehr Daten über die Konsumenten und Verkäufer, die sich auf der Plattform tummeln, was es dem Unternehmen ermöglicht, dass Alipay, Alibabas Bezahlsystem, den Marktteilnehmern auf seiner Plattform Kredite bis zur Höhe von einer Million Yuan (120.000 Euro) einräumen kann. Die Bonität wird von einem Algorithmus errechnet, wobei das Unternehmen auf vorhandene Umsatzdaten und "Vertrauensindikatoren" zurückgreifen kann. Datenschutz ist für Ma dabei kein Problem: "Europa zerbricht sich viel zu sehr den Kopf über Datenschutz", sagte er, während er die österreichische Delegation durch den Showroom des Online-Handels-Unternehmens führt.

Die Delegation wurde vom Firmengründer persönlich empfangen, Kanzler Kurz hat Jack Ma zuletzt beim World Economic Forum in Davos getroffen. Kurz ist - wie er sagt - seit seinem ersten Zusammentreffen beeindruckt von Ma, der sich vom Englischlehrer zum reichsten Mann Chinas emporgearbeitet hat. Ma wisse um die Trends in der Gesellschaft und in der Wirtschaft bestens Bescheid und sei daher ein wichtiger Ideengeber und Partner zum Gedankenaustausch. Dabei sei auffallend, so Kurz, dass Ma stets Optimismus versprühe, wenn es um eine Beurteilung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in den USA, Asien und Afrika geht. In Europa liege aber Angst und Unsicherheit in der Luft, zitiert Kurz Ma. "Und auch ich habe große Sorge, dass wir uns in der Europäischen Union in den falschen Diskussionen verlieren", so Kurz.

Man verteile Wohlstand, der noch gar nicht erwirtschaftet ist, und bremse Innovation durch Regulierung. "Wenn wir weiter zaudern, anstatt innovativ und mutig zu sein, werden uns Länder wie China in solch hoher Geschwindigkeit abhängen, dass wir uns das jetzt noch gar nicht vorstellen können", sagt Kurz. Der Bundeskanzler weiter: "Ich habe das Gefühl, dass wir in Europa zu selbstzufrieden und gesättigt sind. Wenn man sich umschaut, wie dynamisch Länder wie China sind, wie gut die wirtschaftliche Situation in den USA immer noch ist und wie erfolgreich kleine Staaten wie Israel oder Singapur sind, dann sollte uns das in Europa und in Österreich zu denken geben."

Angebot an heimische Firmen

Der österreichischen Delegation bot Ma an, dass 30 österreichischen Unternehmen Schulungen angeboten werden, wie sie mithilfe der chinesischen Online-Handelsplattform in China ihre Kunden besser erreichen. "Österreich hat tolle Produkte, die Anbieter sollen nicht auf ihre Kunden warten, sondern aktiv auf sie zugehen", sagt Ma.

Die Plattform Alibaba als Chance für kleinere heimische Firmen sieht Kurz zwar, es gebe aber auch Risiken: Online-Handelsplattformen böten zwar eine Chance für zusätzliche Exporte, man müsse aber darauf achten, dass nicht der stationäre Handel zu reinen Schauräumen verkomme. Möglichkeiten für österreichische Unternehmen, in China stärker präsent zu sein, würden sich dadurch aber sehr wohl bieten: "Wenn der chinesische Markt größer wird und der Mittelstand wächst, wird China zu einem immer wichtigeren Absatzmarkt. Beim Tourismus explodieren die Zahlen, wir haben bereits über eine Million chinesischer Touristen, mit unseren Produkten sollte ähnliches gelingen."

Kurz pochte aber auf fairen Handel auf Augenhöhe. Es sei nicht einzusehen, warum die bald größte Volkswirtschaft der Welt in der Welthandelsorganisation immer noch als Entwicklungsland mit entsprechenden Privilegien geführt werde. "Das ist einfach unfair", sagte Kurz.

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