Berlin/Frankfurt. (rs) Nach knapp eineinhalbmonatigen Verhandlungen war Peter Altmaiers Traum von der großen deutschen Bank in der vergangenen Woche geplatzt. Ein Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank, den der deutsche Wirtschaftsminister wohl nur zu gerne gesehen hätte, war nach Ansicht der beiden größten deutschen Privatbanken betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll zu stemmen. Zu groß wären demnach die Umsetzungsrisiken und Restrukturierungskosten gewesen, zu gering der Mehrwert für alle Beteiligten.
Die von der Politik emsig betriebene Frankfurter Banken-Hochzeit ist für Altmaier allerdings nur ein Puzzlestein in einem groß angelegten Konzept gewesen. Geht es nach dem CDU-Politiker, sollen nämlich nicht nur im Banksektor nationale, oder noch besser europäische Champions entstehen, sondern auch in vielen anderen Schlüsselbranchen - ganz nach dem Vorbild des Flugzeugbauers Airbus, der als deutsch-französisches Gemeinschaftsunternehmen mit Boeing um die globale Marktführerschaft rittert und Flugzeuge in alle Welt verkauft. Denn nur so kann Europa nach Altmaiers Ansicht der immer stärker werdenden Konkurrenz aus Asien und den USA auch langfristig die Stirn bieten.
Der deutsche Wirtschaftsminister schreckt dabei auch nicht vor Vorschlägen zurück, die in Deutschland als unorthodox oder sogar dirigistisch wahrgenommen werden. So liegt ein wesentlicher Fokus von Altmaiers im Februar vorgestellter "Nationaler Industriestrategie 2030" auf einer aktiven Industriepolitik und einer tatkräftigen Mithilfe des Staates bei der Förderung von Schlüsselunternehmen wie Siemens oder Thyssen Krupp.
Vernachlässigter Mittelstand
Doch nicht nur wegen der gescheiterten Bankenfusion und der vielen Planwirtschaftsvorwürfe sieht sich Altmaier derzeit immer stärker mit Gegenwind konfrontiert. Viele prominente Ökonomen stellen auch prinzipiell den Ansatz in Frage, vor allem auf wenige Großkonzerne zu fokussieren, statt auf den in Deutschland traditionell starken Mittelstand zu setzen. "Der deutsche Erfolg lebt von den Hidden Champions des Mittelstands, die wesentlich die Beschäftigungsdynamik treiben", sagt etwa Michael Hüther, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
Unterfüttert wird diese Kritik auch durch den deutschen Mittelstandsbericht, den das das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Montag in München vorgelegt hat. Denn demnach sind deutsche Familienunternehmen in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen als die großen im deutschen Aktienindex DAX notierten Konzerne. So ist die Beschäftigung bei den größten 500 Familienunternehmen in den Jahren 2007 bis 2016 um 27 Prozent auf 2,54 Millionen Menschen gestiegen. "Die 27 DAX-Unternehmen, die keine Familienunternehmen sind, konnten die Beschäftigung hingegen nur um vier Prozent auf 1,55 Millionen steigern", heißt in der Studie, die im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchgeführt wurde.
Beim Umsatz lagen die Mittelständler ebenfalls deutlich vorn: Im Durchschnitt stieg dieser bei den 500 stärksten Familienunternehmen um 3,7 Prozent pro Jahr im untersuchten Zeitraum. Bei den gegenübergestellten DAX-Unternehmen nahm er um durchschnittlich rund 3,0 Prozent zu. "Die Zahlen sind nur ein weiterer Beleg dafür, dass eine Regierung nicht ‚big business‘ im Auge haben sollte, sondern ‚big market‘", sagt Thomas Straubhaar, Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg.