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Auftakt im großen Batterie-Match

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Nach PSA steigt auch VW in die Batteriezellenfertigung ein. Europas Autobauer wollen damit nicht nur die Marktmacht der Asiaten brechen, sondern auch ihr ureigenstes Geschäft sichern.


Wolfsburg. 2016 schien das Thema bereits abgehakt zu sein. "So einen Blödsinn machen wir sicherlich nicht", erklärte der damalige VW-Chef Matthias Müller einigen Journalisten, die nachgefragt hatten, ob Europas größter Autobauer nicht in absehbarer Zeit auch eine eigene Batteriezellenfertigung aufziehen könnte, um für das Elektroauto-Zeitalter gerüstet zu sein. Die hochautomatisierte Produktion sei "schweineteuer" und bringe nur wenige Jobs, sagte Müller damals.

Drei Jahre, nachdem eine eigene Batteriezellenproduktion so energisch vom Tisch gewischt wurde, hat VW mit dem gebürtigen Österreicher Herbert Diess aber nicht nur einen neuen Chef, der voll und ganz auf Elektromobilität setzt. Auch die gesamte Auto-Branche hat turbulente Zeiten mit massiven Umwälzungen hinter sich. So drohen in mehreren deutschen Städten Fahrverbote für Diesel-Pkw, nachdem klar geworden ist, dass die Grenzwerte bei den gesundheitsschädlichen Stickoxiden im Straßenbetrieb oft um ein Vielfaches überschritten werden. Und im weltweit größten Markt für die Autoindustrie ist der Verbrennungsmotor unter Druck geraten, seit die chinesische Regierung eine Elektroauto-Quote ab dem Jahr 2019 beschlossen hat.

Entsprechend soll daher nun auch beim Thema Batteriezellenfertigung alles anders werden. So will der VW-Konzern zusammen mit dem schwedischen Batteriespezialisten Northvolt künftig selbst in Europa produzieren und in den kommenden Jahren zu einem der global führenden Hersteller aufsteigen. Dafür soll bis 2023 zunächst eine eigene Fabrik im deutschen Salzgitter mit 700 Mitarbeitern entstehen. In den nächsten Jahren sollen ihr weitere Produktionsstätten in anderen europäischen Ländern folgen, um den enormen Bedarf an Speicherzellen decken zu können. Für den Standort Salzgitter, an dem VW schon seit einiger Zeit eine Pilotanlage betreibt, hat der VW-Aufsichtsrat am Montagabend bereits Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro freigegeben.

Europa hinkt hinterher

Volkswagen ist damit der zweite europäische Autobauer, der im großen Stil in die als Schlüsseltechnologie für die Elektroauto-Wende geltenden Batteriezellenfertigung einsteigt. Vor einigen Tagen hatte bereits der Peugeot-Konzern mit seiner Tochter Opel unter großem Beifall der Politik ein französisch-deutsches Batteriekonsortium aus der Taufe gehoben, an dem sich auch der französische Batteriehersteller Saft beteiligen soll. Bis zu 1,2 Milliarden Euro an Subventionen wollen Frankreich und Deutschland für das Projekt lockermachen, das knapp 3000 Arbeitsplätze in den beiden Ländern sichern soll.

Dass die europäischen Autobauer eine eigene Batteriezellfertigung aufbauen, ist nach Ansicht der EU-Kommission, die das Thema schon seit einigen Jahren forciert, von zentraler strategischer Bedeutung. Denn derzeit wird der Markt vor allem von Unternehmen aus Japan, Südkorea und China wie Panasonic, Samsung, CATL und BYD dominiert. So kommen nach Schätzung des zuständigen EU-Kommissars Maros Sefcovic, der schon 2017 das Projekt einer europäischen Batterieallianz ins Leben gerufen hat, rund 80 Prozent der Batteriezellen aus dem asiatischen Raum. Aus Europa stammen dagegen nur knapp 3 Prozent.

Bald nur noch Karosseriebauer?

Dass die lange Zeit zögerlichen Europäer dermaßen abhängig von den asiatischen Herstellern sind, ist für Sefcovic gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch. So sieht der Kommissar nicht nur die Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze bedroht, der Slowake fürchtet auch, dass die Autobauer in der EU wichtige Anteile in der automobilen Wertschöpfungskette verlieren könnte. Denn schon jetzt machen die derzeit eingesetzten Lithium-Ionen-Akkus fast ein Drittel der Kosten eines E-Autos aus. Viele der Zellhersteller arbeiten aber schon jetzt daran, auch komplette Antriebe anbieten zu können, sodass die Autohersteller künftig in die Situation kommen könnten, nur noch eine Karosserie darumherum zu bauen. Ganz ähnlich wie bei der Mikroelektronik und der Solarindustrie könnte Europas Industrie damit eine weitere Schlüsseltechnologie dauerhaft verloren gehen.

Wie schwer es allerdings ist, gegen die Konkurrenten aus Südkorea anzukommen, haben schon Daimler und der Chemiekonzern Evonik bei ihrem Joint Venture Li-Tec erfahren müssen: Die Stuttgarter zogen nach dem Ausstieg von Evonik Ende 2015 den Stecker bei der Zellproduktion im sächsischen Kamenz - die Stückzahlen waren angesichts der verschwindend geringen Nachfrage nach Elektroautos zu niedrig. Mercedes kauft die Zellen seither ein und baut sie selbst zu Batterien zusammen. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund hatte sich auch der weltweit größte Zulieferer Bosch vor wenigen Monaten gegen den Einstieg in die Batteriezellproduktion entschieden, die nach Schätzung des Unternehmens 20 Milliarden Euro an Investitionen erfordert hätten.

Die hohen Kosten und die starke Konkurrenz aus Asien dürften zudem nicht die einzigen Risiken für die europäischen Autobauer bleiben. So werden VW und das PSA-Konsortium enorme Menge an Nickel, Kupfer und anderen Rohstoffen, die für die Zellproduktion wichtig sind, brauchen. Doch diese Batteriemetalle dürften angesichts des erwarteten Nachfrageschubs bei Elektroautos zunehmend knapp werden - ein Stromer benötigt etwa doppelt so viel Kupfer wie ein Verbrennermodell. So warnt der US-Branchenpionier Tesla, der derzeit in Nevada für fünf Milliarden Dollar eine gewaltige Batterie-Fabrik aus dem Boden stampft, bereits vor Versorgungsproblemen.