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Eine Klimasteuer als Zankapfel

Von Klaus Huhold

Wirtschaft

Union und SPD sind sich in Deutschland einig, dass der Ausstoß von Treibhausgasen gesenkt werden soll. Doch uneinig sind sie sich vor dem Treffen des Klimakabinettes darüber, ob und wie sehr es dafür eine CO2-Steuer braucht.


Berlin/Wien. Dass die deutsche Politik keine Sommerpause machen will, hat sie bereits verkündet. Stattdessen wurden die kommenden Wochen gleich als "intensive Arbeitsphase" tituliert. Und an einem Thema soll besonders viel gearbeitet werden: dem Klimaschutz.

Dieser hat sich nämlich immer mehr in den Vordergrund geschoben. Angestoßen wurde das durch die Fridays-for-Future-Proteste, hinzu kam dann noch der große Wahlerfolg der Grünen, die bei der Europawahl im Mai mit rund 20 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei wurden, was nicht zuletzt dem Wunsch nach mehr Klimaschutz geschuldet war.

Die regierende große Koalition steht also unter Druck, bei diesem Thema Ergebnisse zu liefern. Es besteht zwischen Union und SPD auch Einigkeit, dass der CO2-Ausstoß gesenkt werden soll. Das ist allein schon aufgrund der internationalen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, notwendig. Bis 2030 muss der Treibhausgas-Ausstoß um 55 Prozent gegenüber 1990 fallen. Bisher kommt Deutschland auf 30 Prozent. Erreicht Deutschland dieses Ziel nicht, drohen Strafzahlungen durch die EU.

Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Bis Ende des Jahres will die Regierung ein Klimaschutzgesetz vorlegen. So lange wird verhandelt und gefeilscht und das vor allem im sogenannten Klimakabinett, das die besonders betroffenen Ministerien umfasst.

Unter dem Vorsitz von Angela Merkel treffen sich dabei regelmäßig Svenja Schulze (Umwelt, SPD), Olaf Scholz (Finanzen, SPD)Peter Altmaier (Wirtschaft, CDU), Julia Klöckner (Landwirtschaft, CDU), Andreas Scheuer (Verkehr, CSU) und Horst Seehofer (Bau, CSU). Heute, Donnerstag, ist es wieder so weit, und es darf eine durchaus kontroverse Debatte erwartet werden.

Denn Umweltministerin Schulze ist bereits vorgeprescht. Sie will nicht nur jedem Sektor bestimmte Emissions-Sparziele auferlegen. Die Sozialdemokratin fordert zudme nun eine CO2-Steuer, die auch Autofahrten und Heizen umfassen würde. Rückendeckung hat sie dabei am Freitag vergangener Woche von den Wirtschaftsweisen erhalten, die ebenfalls eine derartige Abgabe empfehlen.

Innerhalb der Union soll es zwar durchaus Politiker geben, die sich mit einer derartigen Steuer anfreunden könnten - deutsche Medien nennen hier etwa Wirtschaftsminister Altmaier. Doch gleichzeitig gibt es unter den Konservativen auch massiven Widerstand gegen eine derartige Abgabe. "Die Befürworter einer CO2-Steuer machen es sich leicht: Man muss nur verteuern, dann werden sich die Menschen schon anders verhalten. In Wahrheit läuft ein CO2-Preisaufschlag auf Heiz- und Kraftstoffe auf Abkassieren ohne Lenkungseffekt hinaus", sagte der Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein von der CSU dem "Handelsblatt".

Abgabe soll Mieterund Pendler nicht treffen

In der Klimadebatte werden konservative Politiker zum Verteidiger der sogenannten kleinen Leute. Als Beispiel wird dabei gerne der Pendler genannt, der auf das Auto angewiesen ist und in einer schlecht isolierten Wohnung lebt. Diese Bürger würde demnach eine CO2-Steuerhart treffen.

Tatsächlich befindet sich die SPD hier in einer Zwickmühle. Einerseits bevorzugen wegen der Klimaschutzdebatte linksgerichtete, junge Wähler die Grünen. Andererseits drohen die Sozialdemokraten, die sich ohnehin in einer beispiellosen Zustimmungskrise befinden, weitere Arbeiter und Angestellte bei höheren Spritpreisen und Heizkosten zu verlieren.

Deshalb will Schulze eine CO2-Steuer auch derart gestalten, dass sie sozial abgefedert ist. Sprich: Die Einnahmen dieser Abgabe sollen so umgelenkt werden, dass sie Pendler und Mieter nicht zu spüren bekommen. Zudem soll es eine "Klimaprämie" geben, durch die klimafreundliches Verhalten belohnt wird.

Für die Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels der Union stellt das aber eine zu große Einmischung des Staates dar. Sie möchten die Emissionsreduktion stärker dem Markt überlassen. Emissionshandel lautet hier das Zauberwort. Dieser findet auf europäischer Ebene, vor allem im Energiesektor, bereits statt. Betriebe erhalten dabei Verschmutzungszertifikate. Unterschreiten sie die für sie vorgesehene Menge an CO2-Ausstoß, können sie die Zertifikate verkaufen. Liegen sie darüber, müssen sie Zertifikate zukaufen. Nun steht zur Debatte, den Emissionshandel auf weiter Sektoren, etwa den Verkehr, auszuweiten. Von linker Seite kommen hier aber Einwände. Die Argumente: Auf europäischer Ebene ist der Emissionshandel bis 2030 festgezurrt. Und wenn man ihn nur auf nationaler Ebene ausweitet, braucht es zu lange, bis er in die Gänge kommt.

Deutsche Maßnahmen könnten Signal für ganz Europa sein

Bei anderen Maßnahmen sind sich die Koalitionspartner schon relativ einig. So soll die Prämie beim Kauf für Elektroautos erhöht oder die steuerliche Absetzbarkeit für energetische Gebäudesanierung ausgeweitet werden.

Generell ist aber nicht vor dem Herbst mit einem konkreten Wurf beim Klimagesetz zu rechnen. Denn am 1. September finden in den beiden östlichen Bundesländern Sachsen und Brandenburg Wahlen statt. Und dort fürchten, vor allem in den Kohleanbaugebieten, viele Wähler strenge Maßnahmen beim Klimaschutz. Auch das droht der rechtspopulistischen AfD, die immer wieder gegen Klimaschutzmaßnahmen Stellung bezieht, in die Hände zu spielen.

Früher oder später wird aber das Klimagesetz in Deutschland kommen. Politbeobachter erwarten eine Mischung aus CO2-Steuer und erweitertem Emissionshandel Wie das Gesetz dann auch aussieht - es kann eine Signalwirkung für ganz Europa haben, wie die größte Volkswirtschaft der EU dem Klimawandel begegnet.