Braunschweig. Zum Auftakt des Diesel-Musterverfahrens von Verbraucherschützern gegen Volkswagen hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig eine Einigung zwischen den Streitparteien angeregt. "Ein Vergleich ist sehr schwer, aber möglich", sagte der Vorsitzende Richter Michael Neef am Montag. Es sei jedoch nicht einfach, einen möglichen Schadenersatz-Betrag für betroffene Dieselkunden festzulegen.

Verbraucherschützer sprachen sich für einen raschen Vergleich aus, sagte Lydia Ninz vom Verbraucherschutzverein (VSV), die gemeinsam mit VSV-Obmann Peter Kolba den Prozess in Braunschweig verfolgt. VW habe sich hingegen einen Vergleich offengelassen, weil die Voraussetzungen noch nicht geklärt seien. Der VSV vertritt rund 1000 Menschen aus Österreich (1100 aus Österreich und Südtirol), die sich dem Verfahren in Deutschland angeschlossen haben. Der nächste Verhandlungstermin ist für den 18. November festgesetzt.

Wobei der Senat Bedenken habe, ob die Verjährungshemmung und Bindungswirkung des Musterfeststellungsverfahrens auch ausländischen VW-Kunden zukommt, schrieb Kolba am Montag in einer Stellungnahme an die APA. Der Senat verweise dabei auf Internationales Privatrecht, entscheide diese Frage aber nicht im Musterfeststellungsverfahren.

Der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), der die Klage gegen VW eingebracht hat, will ein Gutachten vorlegen, wonach bei so einem Massenverfahren auch ausländische Kläger von den gleichen Rechten profitieren. Daraus schließt Kolba: "Die Anmeldungen der österreichischen Geschädigten im Klageregister bleiben also gültig." Es gebe gute Argumente dafür, dass im strittigen Fall auch für Österreicher deutsches Recht gilt und sie "die Vorzüge der Musterfeststellungsklage genießen können", so Kolba.

Richter Neef nannte am Montag zwei "zentrale Fragen", die die Kammer in den kommenden Wochen zu bewerten habe. Gegen mögliche Ansprüche von VW-Dieselkunden könnte etwa sprechen, dass ein Schaden durch manipulierte Abgaswerte nicht "zutreffend vermittelt" worden sei. "Immerhin wurden die Fahrzeuge in der großen Zahl der Fälle weiter genutzt", sagte Neef. Ob also die Abgas-Software oder erst die anschließenden Diesel-Fahrverbote einen Schaden hervorgerufen hätten, sei noch nicht geklärt. "Dass ein Schaden entstanden ist, scheint uns jedenfalls nicht so offenkundig."

Außerdem müsse man erörtern, ob allein durch die drohende Stilllegung eines Dieselautos schon eine "Vermögensgefährdung" eingetreten sei - "durch den bloßen Umstand, dass die Fahrzeuge beschlagnahmt werden könnten". Klagende VW-Kunden müssten sich zudem darauf einstellen, im Erfolgsfall eine Entschädigung mit der bisherigen Nutzung des Autos verrechnen zu müssen: "Uns will es nicht einleuchten, dass die Fahrzeuge über Jahre kostenlos genutzt werden durften", sagte Neef.

Am Nachmittag geht es nun vor allem um die Zulässigkeit einzelner Klagsteile. Am Braunschweiger OLG stehen sich der VW-Konzern und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gegenüber. Der vzbv klagt dabei stellvertretend für rund 470. 000 Dieselkunden, die sich von dem Autohersteller wegen falscher Diesel-Abgaswerte getäuscht sehen und deshalb Schadenersatz verlangen. Davon kommen rund zwei Prozent, also knapp 10.000 von außerhalb Deutschlands.

Volkswagen hatte mit einzelnen klagenden Kunden in anderen Verfahren bisher in vielen Fällen Vergleiche geschlossen. Im Fall der Musterfeststellungsklage halten die Juristen des Konzerns dies angesichts der "hohen Anzahl an Registeranmeldungen, Fallkonstellationen und etwaigen individuellen Schadensforderungen" jedoch für "kaum vorstellbar".