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Warum der Strom in Österreich teurer wird

Wirtschaft
Vor allem Strom aus Wind- und Sonnenkraft führt in Deutschland zu Mittag zu sehr niedrigen oder sogar Negativ-Preisen.
© Getty/Sean Gallup

Ein Jahr nach der Trennung von der gemeinsamen Strompreiszone mit Deutschland profitierten andere Länder von diesem Schritt - die heimische Industrie und die Haushalte zahlen drauf.


Österreich und Deutschland haben viele Gemeinsamkeiten. Auch beim Strom gab es mit der Liberalisierung der Energiemärkte über 15 Jahre lang vorbildliche Marktintegration im Sinne der EU, denn in den Nachbarländern gibt es grenzübergreifend gut ausgebaute Stromleitungen. Österreich konnte problemlos Strom aus Deutschland importieren und umgekehrt.

Mit der Trennung der gemeinsamen Strompreiszone am 1. Oktober 2018 wurde der Stromhandel beschränkt. "Durch die Trennung ist es Stromlieferanten- und -händlern in Österreich nicht mehr ohne Einschränkungen möglich, in Deutschland - dem liquidestem Strommarkt Europas - Strom zu kaufen oder verkaufen", sagt Karina Knaus, Leiterin des Centers Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise in der Österreichischen Energieagentur.

Der Grund: Durch die deutsche Energiewende verschieben sich die Erzeugungsschwerpunkte in Deutschland signifikant. Dies führt zu einer stärkeren Belastung des Stromnetzes. Überregional sind hierfür die Leitungen aber nicht ausreichend ausgebaut. Die Kapazitäten sind zu gering, um den im Norden produzierte Strom - überwiegend aus Wind- und Solarkraft - direkt in die Verbraucherzentren des Südens transportieren zu können.

Durch die Trennung erhofften die Befürworter, Engpässe im deutschen Stromnetz reduzieren zu können und die Netzsicherheit zu verbessern, sprich: die physischen und finanziellen Stromflüsse ins Gleichgewicht zu bringen, um damit Bedarf und Kosten für die Stabilisierung der Netze senken zu können.

Laut aktuellen Errechnungen der Energieagentur Österreich haben sich diese Erwartungen sogar übertroffen - zum Nachteil für Haushalte und Industrie in Österreich, denn die Strompreise sind insgesamt im vergangenen Jahr hierzulande deutlich angestiegen.

Die Mehrkosten für Strom betragen seit Oktober 2018 in Österreich insgesamt ganze 220 Millionen Euro. Strom war im Großhandel in Österreich durchschnittlich um 3,40 Euro pro Megawattstunde (MWh) teurer. Damit waren die Preise hierzulande um durchschnittlich acht Prozent höher als in Deutschland. Wenn auch die Preisunterschiede starken saisonalen Schwankungen unterworfen sind. Die Preiszonentrennung ist aber nur ein Faktor von vielen. Kräftige Preiserhöhungen auf den Großhandelsmärkten sind etwa auch dafür verantwortlich.

Strom durchschnittlich17 bis 126 Euro teurer

Unterschiede gab es auch im Tagesverlauf, etwa zur Mittagszeit ist die Differenz tendenziell höher, wenn in Deutschland viel Photovoltaik-Strom im Netz ist. Kommen dann noch eine hohe Windkrafterzeugung und eine geringe Nachfrage dazu, kann es in Deutschland zu sehr niedrigen oder sogar negativen Strompreisen kommen. In Österreich ist ein solcher Effekt angesichts starker Wasserkrafterzeugung und vergleichsweise weniger Photovoltaik geringer, die Preise sind demnach nicht ganz so niedrig wie in Deutschland.

Für Haushalte und Kleingewerbe wurden im zweiten Halbjahr 2018 und im ersten Halbjahr 2019 insgesamt mehr als 70 Erhöhungen angekündigt beziehungsweise durchgeführt. Der reine Energiepreis, der in etwa ein Drittel der gesamten Stromrechnung ausmacht, wurde in einer Spanne von fünf bis 54 Prozent angehoben. Die gesamte Stromrechnung, der auch die Netzgebühren sowie Steuern und Abgaben umfasst, verteuerte sich dadurch je nach Lieferant in einer Bandbreite von 17 bis 126 Euro im Jahr für einen durchschnittlichen Haushalt. Die Haushaltsstrompreise insgesamt waren im August laut Energieagentur statistisch gesehen um 5,5 Prozent höher als vor einem Jahr.

Industrie zahltum ein Viertel mehr

Die Großhandelspreise - gemessen am von der Energieagentur berechneten Strompreisindex ÖSPI - waren im Oktober 2019 um rund 22 Prozent höher als im Vorjahresmonat.

Mit ein Grund für den Preisanstieg sind aber auch die höheren Preise für CO2-Zertifikate, die innerhalb kurzer Zeit von fünf auf 30 Euro gestiegen sind und damit die Stromerzeugung in konventionellen Kraftwerken verteuern. Bei einem "harten" Brexit würden 100 Millionen Tonnen Zertifikate auf den Markt kommen, was damit passieren werde, sei aber noch offen, so Knaus.

Die großen Industriebetriebe mit einem Jahresverbrauch von mehr als 150 Gigawattstunden im Jahr mussten im ersten Halbjahr 2019 sogar um ein Viertel (26 Prozent) mehr bezahlen als im Vorjahreszeitraum - der Energiepreis stieg von rund 3,3 Cent pro Kilowattstunde (kWh) auf rund 4,2 Cent pro kWh.

Erwartungen aus dem Vorjahr von Preisunterschieden zu Deutschland von einem Euro pro MWh beziehungsweise 1,5 bis 2,5 Euro pro MWh am Terminmarkt sind somit höher ausgefallen. Für die Industriekunden, wenn diese im Wettbewerb mit Deutschland stehen, macht das einen großen Unterschied, denn hier seien auch geringe Preisdifferenzen relativ entscheidend, sagt Knaus.

Frankreich, Belgien und Niederlande profitieren

Vor der Trennung entsprachen die Preise in Österreich jenen in Deutschland. Seit Oktober 2018 war dies nur noch in etwa 50 Prozent der Zeit der Fall, zu 45 Prozent war Strom in Österreich teurer. Deutschland hat in der Marktkopplungsregion Zentralwesteuropa die mit Abstand günstigsten Strompreise. Durch die Strompreiszonentrennung haben sich die anderen Länder, wie etwa Belgien, Frankreich und die Niederlande angenähert, sie haben nun öfter gleiche Preise wie das günstige Deutschland.

Die EU-volkswirtschaftliche Wohlfahrtsoptimierung führt zu einer höheren Preiskonvergenz in andern Ländern. Für Österreich mitentscheidend ist nun die Preissituation in der gesamten Region. Frankreich und Österreich haben nun beispielsweise ein Strompreisniveau. Höhere Strompreise als in Deutschland gab es in Frankreich vor der Preiszonentrennung in rund 60 Prozent der Zeit, danach nur mehr in 41 Prozent. In Belgien zahlte man vor der Auftrennung der deutsch-österreichischen Strompreiszone praktisch nie weniger als in Deutschland und in 68 Prozent der Zeit mehr, danach war Strom nur in 42 Prozent der Zeit teurer und in 18 Prozent niedriger.(ast)