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Der Markt im Dienste des Klimaschutzes

Von Walter Hämmerle

Wirtschaft
Christoph M. Schmidt am Podium des Konjunkturgipfels der Wirtschaftskammer in Wien. Der Volkswirt, geboren 1962, ist Vorsitzender des Rats der Wirtschaftsweisen, der die deutsche Bundesregierung berät.
© WKÖ

Christoph M. Schmidt, der Vorsitzende der deutschen Wirtschaftsweisen, über die Vorteile der Marktwirtschaft im Kampf gegen den Klimawandel.


Wie der menschengemachte Klimawandel bekämpft und die fixierten Vorgaben der Reduktion klimaschädlicher Treibhausgasemissionen erreicht werden können, ist eine der zentralen politischen Fragen der Gegenwart - nicht zuletzt auch für die laufenden Gespräche für die Bildung einer neuen Bundesregierung zwischen ÖVP und Grünen. Grundsätzlich geht es dabei auch um die Frage, wie dieser Umbau hin zu einer weitgehend kohlenstofffreien Wirtschafts- und Produktionsweise geschafft werden kann: durch staatliche Ge- und Verbote oder über die Anreizmechanismen von marktwirtschaftlichem Wettbewerb und Innovation.

Der Vorsitzende der deutschen Wirtschaftsweisen Christoph M. Schmidt ist ein überzeugter Anhänger eines marktwirtschaftlichen Zugangs. Im Zentrum steht dabei die flächendeckende Durchsetzung eines einheitlichen Preises für CO2-Emissionen. In der EU existiert ein solches Regime - das European Union Emissions Trading System, ETS - nur für die Industrie und Energiewirtschaft.

"Wiener Zeitung": Bis 2030 müsste die EU ihre Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent reduzieren. Wie kann das gelingen?Christoph Schmidt: Entscheidend ist, dass CO2-Emissionen einen Preis haben. Für die Industrie und die Energiewirtschaft gibt es bereits den EU-weiten CO2-Zertifikatehandel ETS. Dieses System müsste man nun auf alle Sektoren ausweiten, sodass der gleiche Preis auch für alle Bereiche in allen EU-Staaten gilt. Für den Verkehr und Gebäude gibt es allerdings keinen europäischen Ansatz, sondern nur nationale Ziele, die bis 2030 verbindlich festgelegt worden sind. Diese Ziele sind nicht für jedes Land gleich. Es ist jetzt schon klar, dass Deutschland seine Ziele für 2020 nicht erreichen wird, doch es ist noch möglich, die Vorgaben für 2030 zu schaffen.

Was muss dazu getan werden?

Dazu gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Die eine ist, ausschließlich auf das staatliche Ordnungsrecht zu setzen, also auf Ge- und Verbote; die von uns bevorzugte Alternative dazu ist, auf marktwirtschaftliche Mechanismen zu vertrauen. In einer Übergangsphase schlagen wir vor, das ETS-System für die Energiewirtschaft wie Industrie beizubehalten und im Nicht-ETS-Bereich einen eigenen Preis festzulegen. Wir kennen allerdings nicht die Wirksamkeit eines bestimmten Preispfades, weil wir die Vermeidungskosten von Haushalten und Unternehmen dort noch nicht wissen, wo es derzeit kein Preisregime gibt. Ab welchem Preis die Menschen tatsächlich beginnen, auf alternative Mobilitätsangebote umzusteigen, müssen wir erst herausfinden. Die Lösung kann deshalb nur in einem lernenden System liegen, das irgendwo einsteigt - vernünftigerweise dort, wo der jetzige CO2-Preis unter ETS-Regeln liegt -, um dann nachzusteuern.

Und diesen ersten Schritt sollen Staaten wie Deutschland oder Österreich im nationalen Alleingang machen?

Ja, den Einstieg auf jeden Fall. Aber natürlich muss es gelingen, das innerhalb weniger Jahren EU-weit umzusetzen - und langfristig muss es dann natürlich auch einen globalen CO2-Preis geben. Bis 2030 wäre es aber ein riesiger Erfolg, wenn Europa einen einheitlichen CO2-Preis über alle Bereiche hinweg einführt. Der nationale Einstieg in ein Kostenregime im Nicht-ETS-Bereich ist wahrscheinlich der einzige Weg, das überhaupt zu schaffen, weil eine EU-Regelung in so kurzer Zeit nicht gelingen wird; aber natürlich ist eine solche EU-weite Lösung am Ende Voraussetzung für einen Erfolg.

Sie skizzieren, wie die Klimaziele doch noch erreicht werden könnten. Gibt es ein Land, das sich an Ihren Ratschlägen orientiert?

Das Klimapaket der deutschen Bundesregierung kann man zumindest als Willen interpretieren, in diese Richtung zu steuern. Hier soll binnen zwei Jahren ein Kohlendioxidpreis für den Nicht-ETS-Sektor von 10 Euro je Tonne kommen; das ist, verglichen mit dem aktuellen ETS-Preis von rund 25 Euro, sehr niedrig; von daher erwarten wir hier auch keine großen Lenkungseffekte, aber es ist immerhin ein Einstieg.

Das Problem ist nur, dass uns die Zeit davonläuft.

Deswegen hätte sich eine breite Phalanx der Wissenschaft auch gewünscht, dass die Politik mit mehr Mut diesen Systemwandel angeht und den Einstiegspreis entsprechend höher ansetzt.

Wie hoch?

Es muss uns klar sein, dass wir hier von einem gegriffenen Preis sprechen, für den es keine absolute wissenschaftliche Begründung gibt. Deshalb sollte er sich wohl am bereits bestehenden ETS-Preis orientieren, das wäre auch gut zu argumentieren. Hier drunterzugehen, ist eigentlich nicht notwendig.

Alle EU-Staaten hinken hier hinterher: Lassen sich Strafzahlungen noch vermeiden?

Das lässt sich aus heutiger Sicht schwer berechnen, aber es wird immer unwahrscheinlicher.

Woher kann das Geld für die trotz allem auch notwendigen staatlichen Investitionen kommen?

Das Gros der Investitionen muss von den Unternehmen kommen, aber daneben ist auch die öffentliche Hand gefordert; die Mittel kommen über die Einnahmen aus dem CO2-Preis. So gesehen wäre es fatal, auf die marktwirtschaftliche Koordination beim Klimaschutz zu verzichten.

Vor allem Deutschland, aber auch Österreich investiert viel Steuergeld in die Förderung von E-Mobilität. Sie sehen das skeptisch. Warum?

Wir können heute noch gar nicht wissen, welche Mobilitätstechnologie sich am Ende durchsetzen wird, da gibt es neben der E-Mobilität noch durchaus andere Kandidaten. Alle Versuche, hier nicht den Wettbewerb entscheiden zu lassen, bedeuten am Ende, höhere Kosten in Kauf zu nehmen. Staatliche Anreize und Förderungen sollten strikt technologieneutral erfolgen.

Welcher Aspekt bei der Debatte um den richtigen Weg beim Strukturwandel kommt aus Ihrer Sicht oft zu kurz?

Die Vorschläge des Weisenrats sorgen mit marktwirtschaftlichen Mitteln für Effizienz und damit für vergleichsweise geringe Kosten. Was es aber darüber hinaus noch schafft, sind Einnahmen. Klimaschutz sorgt im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen für eine relativ höhere Belastung der Ärmeren. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis bieten die Möglichkeit, für einen entsprechenden sozialen Ausgleich zu sorgen. Fragen von Verteilung und Effizienz sind also gleichermaßen berücksichtigt.