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Social Enterprises: Gewinn mit Sinn

Von Anja Stegmaier

Wirtschaft

Herzkranke retten, nachhaltig reisen, Flüchtlinge verstehen und Mädchen Spaß am Programmieren vermitteln: Junge Start-ups treten an, die Welt von morgen schon heute ein bisschen besser zu machen.


Am Anfang einer guten Geschäftsidee steht immer die Lösung eines Problems. Sogenannten Social Entrepreneurs geht es beim Gründen ihres Unternehmens zudem weniger um den schnellen Gewinn und ein starkes Wachstum, sondern um innovative und langfristige Lösungen sozialer Probleme. Und auch die Investorenseite interessiert sich immer mehr für Investitionen in Unternehmen, Organisationen und Fonds, mit der gezielten Absicht, neben einer positiven finanziellen Rendite auch messbare, positive Auswirkungen auf die Umwelt oder die Gesellschaft zu erzielen.

Warum müssen Herzpatienten so lange auf einen Ultraschalltermin warten? Wie können wir nachhaltig die Welt erkunden? Womit können wir fremde Menschen besser verstehen? Wie bringen wir mehr junge Frauen in die IT-Branche? Antworten auf diese und andere drängende Fragen lieferten junge Gründer aus ganz Europa beim European Youth Award Festival (EYA) in Graz. Mehr als 600 internationale Teilnehmer aus mehr als 60 Ländern kamen zusammen, um die vielversprechendsten digitalen Lösungen Europas zur Verbesserung von Gesellschaft und Lebensräumen zu präsentieren und sich auszutauschen. Auch ein Gewinner wurde prämiert, heuer erstmals aus dem Bereich Medizin.

Eine Gruppe junger Litauer entwickelte das Projekt Ligence, welches mittels Künstlicher Intelligenz, Deep Learning und neuronaler Netze die Herz-Ultraschall-Untersuchung revolutionieren will. "Unsere Software unterstützt den untersuchenden Arzt und erreicht höhere Genauigkeit. Es reduziert die Untersuchungszeit um die Hälfte und die Kosten um ein Drittel. Der Nutzen für Patienten, Ärzte und das Gesundheitssystem sind enorm", sagt der Medizinstudent und Business Developer von Ligence, Justinas Balciunas. Eine Erweiterung der Tätigkeit Richtung Nieren-Ultraschall ist bereits in Planung. Für Peter A. Bruck liegt die Lösung von Ligence quasi im Trend. Der Gründer des EYA beobachtet seit einigen Jahren "eine Demokratisierung der Technologie". Dadurch, dass die Apps auch als Plugins, als Software-Lösungen zur Verfügung stehen, ergebe sich eine Breite an Einsatzfähigkeit, die man sich früher nicht hätte vorstellen können. "Da ist wesentlich mehr personalisiert, wesentlich mehr interaktiv", so der Universitätsprofessor im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Abenteuerlich reisen und Gutes tun

Tourismus boomt - trotz Flugscham und Overtourism. Drei junge deutsche Gründer haben sich mit dem Thema nachhaltiges Reisen auseinandergesetzt. Ihre Plattform Socialbnb verbindet Reiselustige aus der ganzen Welt mit sozialen und ökologischen NGOs oder CBOs. Während Touristen auf der einen Seite auf der Suche nach einem authentischen Reiseerlebnis sind, stehen vielen Einheimischen in Entwicklungsländern nicht die Ressourcen oder das Wissen zur Verfügung, von diesem Wirtschaftszweig zu profitieren.

Socialbnb unterstützt lokale Hilfsorganisationen dabei, ihre ungenützten Räume Reisenden zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können sie weitere finanzielle Mittel für ihre Projekte generieren und gleichzeitig den Besuchern bedeutungsvolle Einblicke in ihre Arbeit und das Leben vor Ort bieten. Bis dato machen rund 50 NGOs mit, mehr als 500 Buchungen wurden über die Plattform getätigt, und mehr als 7000 Dollar haben Reisende an die NGOs gespendet. So kann man für 20 Dollar die Nacht etwa in einem Waisenhaus in Tansania nächtigen, drei Mahlzeiten und WLAN inkludiert. Ein Besuch bei Mr. Thy in Kambodscha für 20 Dollar die Nacht hilft, die von dem Tuk-Tuk-Fahrer gebaute Schule in der Nachbarschaft zu finanzieren, damit die Kinder Englisch lernen können.

Programmieren soll Frauensache werden

Die Tech-Branche ist nach wie vor männerdominiert. Frauen stehen immer noch vor vielen Hürden. Mädchen wird in der Schule auch heute noch oft gesagt, dass "Burschen in Mathematik einfach besser sind" und das "Programmieren eher was für Burschen ist". Jungen Frauen wird bei der Berufswahl häufig nach wie vor eher zu typischen Frauenberufen geraten. "Als ich als Software-Ingenieurin in einer der größten Finanzinstitutionen gearbeitet habe, wurde ich stets als ,das Mädchen aus dem siebten Stock‘ bezeichnet. Ich habe also den Mangel an Diversität selbst erlebt", sagt Dora Palfi. Die Mitgründerin und CEO von imagiLabs erklärt, dass es zwar viele Tools und Gadgets auf dem Markt gebe, um Kindern bis zu einem Alter von zwölf Jahren das Coden näher zu bringen, ebenso zahlreiche Netzwerke und Programme für erwachsene Frauen, die in der Tech-Branche das Programmieren erlernen wollen - doch gerade für junge Frauen im Alter von zwölf bis 16 Jahren fehle ein adäquates Angebot.

Palfi ist eine von drei Schwedinnen, die mit ihrer App und einer daran angeschlossenen Community jungen Mädchen das Programmieren schmackhaft machen wollen. Mittels Gamifizierung will imagiLabs die weiblichen IT-Fach- und Führungskräfte der Zukunft fit machen.
Das mit der App digital gestaltbare Accessoire namens "imagiCharm" kann als Anhänger am Rucksack oder als Schmuckstück im Haar getragen werden und bildet den Grundstein, um sich weiter in der Community mit der Technologie zu beschäftigen.

Wie fühlt es sich an, auf der Flucht zu sein?

Die Gaming-Welt ist nicht nur männerdominiert, in ihr tummeln sich auch gerne rechtsextreme Aktivisten, und es zirkulieren rechtspopulistische Ideen. Auf den ersten Blick ist "Path out" ein ziemlich normales Adventure-Game in ansprechender Retro-Grafik, in dem man in die Rolle eines Burschen schlüpft, der vor dem Bürgerkrieg aus Syrien flieht. Die Geschichte des sogenannten Serious Game basiert allerdings auf den echten Erlebnissen von Abdullah Karam, der 2014 aus Syrien nach Österreich geflohen ist. Er ist nicht nur der Protagonist des Spiels, sondern hat auch als Autor und Grafikdesigner an dem Spiel mitgearbeitet. Karam schaltet sich während des Spiels immer wieder selbst ein und erzählt in Schlüsselszenen in kurzen Videosequenzen, wie er die gerade gespielte Situation in der Realität erlebt hat. Die Geschichte wird so für den Spieler unmittelbar erfahrbar.

Lernen ist aber nicht nur für die Nutzer der diversen innovativen Lösungen ein großes Thema. Auch junge Gründer selbst sollten sich stets hinterfragen und neu ausrichten. Aus der Erfahrung von EYA-Gründer Bruck sind jene Social Entrepreneurs erfolgreich, "die in sich selbst eine völlige Klärung haben, dass es eine Grundhaltung des Lernens braucht". Jungen Gründern müsse bewusst sein, "dass sich jede App aus der Interaktion mit den Nutzern weiterentwickelt". Der Erfolg liege darin, "das eigene Business als Lernreise zu begreifen".