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Fußball im Fadenkreuz arabischer Machtinteressen

Von Birgit Svensson

Wirtschaft

Die Corona-Krise könnte sich auch auf das Geschäft der Golfstaaten mit den europäischen Topklubs auswirken.


Ob man es wahrhaben will oder nicht: Fußball ist der beliebteste Sport weltweit. Die Corona-Krise beweist dies fast täglich. Wochenlang wurde darüber diskutiert, wie man die Spiele nach dem Lockdown wieder stattfinden lassen kann, unter welchen Bedingungen die Spieler trainieren und kicken sollen, welche Hygienemaßnahmen vertretbar sind und angewandt werden müssen. Als dann die allerersten Fußballspiele der deutschen Bundesliga wieder gespielt wurden, konnten auch andere Disziplinen ihre Sportler wieder kämpfen lassen. König Fußball war Vorreiter.

In fast allen Ländern rund um den Globus wird inzwischen wieder Fußball gespielt. "Fußball ist so einfach" antwortet der ehemalige Trainer der irakischen Nationalmannschaft, Wolfgang Sidka, auf die Frage, warum Fußball auch im Nahen Osten der Renner sei. "Du brauchst nur einen Ball und alle jagen hinterher". Der Berliner erzählt von der schwierigen Zeit, als im Irak Terror herrschte, die FIFA Spiele auf irakischem Boden untersagte und die Spieler mit ihm ihre Turniere in Nachbarländern austragen mussten.

Fußball als Brücke zwischen den Völkern

Er sieht den Sport als unpolitisch, Fußball als Brücke zwischen den Völkern und Staaten. In seiner Mannschaft spielten alle Volksgruppen mit, die der Irak aufzubieten hat: Kurden, Araber, Turkmenen, Assyrer, Mandäer. "Die Politiker unterschiedlicher Couleur haben sich im Irak blutige Schlachten geliefert, wir haben Fußball gespielt."

Doch ganz so ist es nicht. Immer mehr mischt sich die Politik in den Sport ein, immer mehr wird Fußball zum rücksichtslosen Geschäft, immer mehr werden Machtinteressen auf dem Rücken der Sportler ausgetragen. Fußball ist längst nicht mehr nur ein Prestige. Er ist zum brutalen Machtkalkül geworden.

Im Nahen Osten sind es vor allem die reichen Golfstaaten, die sich mit Milliarden US-Dollar im Fußball engagieren und die sich nun erbitterte Kämpfe um die Vormachtstellung liefern. "Wir sind seit über einem Jahrzehnt Partner von Manchester City und sind daher unglaublich stolz auf alles, was der Verein erreicht hat, insbesondere die historischen Siege in der Premier League, dem Carabao Cup und dem FA Cup", wirbt die Fluggesellschaft Etihad des Emirats Abu Dhabi auf ihrer Startseite: "Wir sind Partner einiger der besten Fußballvereine der Welt."

Die Spielstätte in Manchester wurde in Etihad-Stadion umbenannt. Der Club kassiert allein dafür pro Saison 14,7 Millionen Euro aus Abu Dhabi. Etihad ist gleichzeitig auch Hauptsponsor der Cityzens, dem Fanclub des britischen Fußballvereins.

Nun musste die Fluggesellschaft 38 ihrer Flugzeuge verkaufen, um die angefallenen Verluste von knapp einer Milliarde US-Dollar aufzufangen. Abu Dhabi, die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) ist knapp bei Kasse. Der fallende Ölpreis, Corona und die Kriege im Jemen und in Libyen, an denen die VAE beteiligt sind, kosten viel Geld, das auch am Golf jetzt knapper wird. In Manchester fürchtet man deshalb, dass die fetten Jahre vorbei sein könnten.

Sponsor von Real Madrid, Arsenal London und AC Milan

Ähnlich ergeht es Emirates, der Fluggesellschaft des Nachbaremirats Dubai. Sie ist Sponsor von Real Madrid, Arsenal London, AC Milan und auch der Hamburger SV konnte sich über Millionen aus dem Golfemirat freuen. Anders als Abu Dhabi, hat Dubai keine Verluste aus dem Ölpreisverfall zu verkraften. Dubai hat kein Öl.

Schon früh setzte das Land andere Schwerpunkte, baute Luxusläden, den höchsten Wolkenkratzer der Welt, entwickelte ein pulsierendes Nachtleben und ist zu einem der wichtigsten Finanzplätze der Region avanciert.

Mit seiner ultramodernen Architektur ist das kleine Emirat mit gut drei Millionen Einwohnern zu einem Magnet geworden. Künstliche Inseln wie "Die Palme" haben in den letzten Jahren Milliarden-Investitionen angelockt. Doch nun droht dem Glitzeremirat eine Wirtschaftskrise. Corona hat sowohl die Flugtätigkeit von Emirates weitgehend eingestellt, als auch die Geschäftsreisen zum Erliegen gebracht. Dass die Weltausstellung Expo 2020 im Herbst dort stattfindet, glauben nur noch wenige.

Zunächst hatten die Fluggesellschaften für ihr Sponsoring besonders eine Zielgruppe im Auge: Die europäischen Fußballfans. "Mannschaften wie Barcelona oder der AC Mailand müssen ständig reisen, für Airlines ist es daher sehr glaubwürdig, ihren Namen mit solchen Teams zu verknüpfen", sagt Andreas Ullmann, Senior Consultant der Sponsoringberatung Sport + Markt.

Woche für Woche erreichen die Fluggesellschaften so ein Millionenpublikum. Auch Qatar Airways setzte auf Fußball-Sponsoring, suchte sich dafür Paris Saint Germain und den FC Bayern München und stach damit die Lufthansa aus. Jetzt kämpft das Emirat um die Übernahme von Newcastle United. Gegner ist ausgerechnet Nachbar Saudi-Arabien, das ebenfalls Newcastle kaufen möchte. 300 Millionen Pfund (rund 340 Millionen Euro) sollen fließen - dafür wären am Ende Saudi-Arabien oder Katar Mehrheitseigner des Clubs. Der Saudi-Fonds hat den Deal zur Chefsache gemacht: einflussreichster Akteur dort ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Damit tritt ein jahrelanger politischer Konflikt über den Sport und das Geschäft hinaus. Hintergrund ist die Katar-Krise, die im Juni 2017 mit der Blockade des eigensinnigen Emirats durch eine saudisch-emiratisch geführte Allianz eskaliert war. Seitdem sind unzählige Vermittlungsversuche, die Krise zu entschärfen und Katar mit den anderen Mitgliedern des Golfkooperationsrates wieder zu versöhnen, fehlgeschlagen.

Katars Emir Tamim bin Hamad al-Thani hält an seiner Politik der Offenheit fest und unterhält auch weiterhin Kontakte zu Saudi-Arabiens Erzfeinden Iran und Israel. Dass Saudi-Arabien inzwischen schlechte Karten bei Newcastle hat, liegt aber nicht an Katar und den Menschenrechten, die beide Länder mit Füßen treten.

Gekaperte Übertragungen

Knackpunkt ist vielmehr die Studie, die FIFA und UEFA gemeinsam in Auftrag gegeben haben und die kürzlich veröffentlicht wurde. Demnach bestätigt der Bericht zweifelsfrei, "dass die gekaperten Übertragungen von beoutQ unter Einsatz der im Besitz von Arabsat befindlichen und betriebenen Satelliteninfrastruktur gesendet wurden".

Zusammen mit den Top-Ligen aus England, Spanien, Frankreich, Italien und der asiatischen Konföderation hatte die Deutsche Fußball-Liga das Softwareunternehmen MarkMonitor beauftragt, eine technische Analyse der Aktivitäten von beoutQ vorzunehmen. "Obwohl wir Berichte erhalten haben, dass die Übertragungen von beoutQ derzeit unterbrochen sind, fordern wir Arabsat und alle anderen Satellitenanbieter dennoch auf, die Bereitstellung von Plattformen für Piratensender zu stoppen, da dies nicht nur rechtmäßige Lizenznehmer, Fans und Spieler schädigt, sondern auch den Sport, den solche Sender missbrauchen", heißt es in der Erklärung der Auftraggeber.

Hintergrund der Debatte ist aber auch hier die Krise zwischen dem kommenden WM-Gastgeber Katar und Saudi-Arabien. Die Übertragungsrechte für viele Sportereignisse liegen in der arabischen Welt beim Sender beIn Sports mit Sitz in Katar. Der Sender besitzt in Saudi-Arabien allerdings keine Sendelizenz. Die dadurch entstehende Lücke füllt beoutQ und zeigt unter anderem Spiele der europäischen Fußballligen oder auch Großereignisse wie die WM in Russland, ohne dafür die Rechte zu besitzen.