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Siemens Energy soll keine Kohlekraftwerke mehr bauen

Wirtschaft

Vorstandsboss Kaeser fordert einen Ausstiegsplan - die betroffene Sparte reagiert reserviert.


Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser drängt Siemens Energy zum Ausstieg aus dem Bau von Kohlekraftwerken. "Der Klimawandel ist real. Und Siemens ist Teil der Lösung", sagte Kaeser auf der Online-Hauptversammlung, die der Abspaltung der Energietechnik-Tochter am Donnerstag zustimmte. Derzeit kämen 40 Prozent der CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung. Aber die Energiewende werde nicht über Nacht machbar sein, sagte Kaeser. "Wir stehen ganz am Anfang." Er habe den Vorstand von Siemens Energy daher gebeten, zügig einen Plan zum Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kohle vorzulegen, der allen Beteiligten gerecht werde. Kaeser, der spätestens am 3. Februar 2021 als Siemens-Chef geht, übernimmt bei Siemens Energy den Posten des Aufsichtsratschefs.

Bisher fußt ein Großteil des Geschäfts von Siemens Energy auf Kohle- und Gas-Kraftwerken, erneuerbare Energien - vor allem in Form der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa - machen nur ein Drittel aus. Das Unternehmen sei damit ein Abbild der gegenwärtigen Energie-Infrastruktur, sagte Kaeser. Auch 2040 werde die Welt noch maßgeblich von Öl und Gas abhängen. Siemens ist seit Jahren mit Kritik von Klimaschützern konfrontiert. Auf einen Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohleverfeuerung legte sich Kaeser nicht fest, machte aber Druck: Der Plan werde "sicher konsequenter, als Zögerlinge dies für notwendig halten," verfolgt. Man müsse den steigenden Strombedarf decken und dem Klimawandel gleichzeitig "in wirtschaftlicher sinnvoller Weise begegnen". Ein Hoffnungsträger ist neben der Windkraft die Wasserstoff-Technologie.

Siemens Energy reagierte reserviert auf Kaesers Vorstoß. "Natürlich setzen wir uns deswegen auch mit einem potenziellen Kohleausstieg auseinander", erklärte ein Sprecher. "Unser Ziel ist eine nachhaltige Energiewirtschaft." Ein Team werde prüfen, welche Folgen ein Ausstieg aus der Kohle für das Unternehmen, seine Kunden und die Mitarbeiter hätte.

Keine Notlösung,keine Modeerscheinung

Kaeser erhofft sich von der Abspaltung von Siemens Energy Schub für den Aktienkurs. Sie sei "weder ein Schnellschuss noch eine Notlösung, weder eine Zerschlagung noch eine Modeerscheinung", sagte er. Mit 29 Milliarden Euro Umsatz steht Siemens Energy mit seinen 91.000 Mitarbeitern für ein Drittel des Siemens-Geschäfts. Die beiden Unternehmen zusammen dürften an der Börse mehr wert sein als die bisherige Siemens AG allein, sagte Finanzvorstand Ralf Thomas.

Kaeser hält die "neue Siemens AG" mit dem Industrieautomatisierungs-, dem Infrastrukturtechnik- und dem Zug-Geschäft im Vergleich zu den wichtigsten Rivalen in Europa für "außergewöhnlich niedrig" bewertet. "Durch Fokussierung und Innovation" lasse sich der Firmenwert deutlich steigern. Analyst Simon Toenessen von Jefferies sieht die Chance, dass die Aktie angesichts der Abspaltung in den nächsten Monaten bis zu 40 Prozent steigt. Siemens Energy sei fast 20 Milliarden Euro wert.

Die Hauptversammlung stimmte der Abspaltung wie erwartet zu - mit 99,4 Prozent des Grundkapitals. Die Aktie von Siemens Energy feiert damit am 28. September ihr Debüt an der Frankfurter Börse. Die Siemens-Aktionäre bekommen für je zwei Papiere eine Siemens-Energy-Aktie ins Depot gebucht. Bei Siemens bleiben zunächst 35,1 Prozent. 9,9 Prozent liegen beim Siemens-eigenen Pensionsfonds.

Finanzvorstand Thomas rechnet mit Druck auf die neue Siemens-Energy-Aktie, die zunächst ihren Platz im Nebenwerteindex MDax finden dürfte: Mehr als ein Drittel der Papiere dürften binnen zwei oder drei Monaten nach dem Börsengang den Besitzer wechseln, weil das Unternehmen nicht ins Portfolio von Technologie-Investoren passt.(reu/kle)