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Wie das EU-Beihilfenrecht funktioniert

Von Michael Ortner

Wirtschaft
Die EU-Mitgliedsländer stützen ihre Unternehmen mit Milliardenhilfen - bei vielen muss die EU-Kommission aber erst zustimmen.
© fandijki - stock.adobe.com

Österreich stützt seine Unternehmen mit Milliardenhilfen. Das geht nicht immer ohne die Zustimmung der EU.


Zwischen den EU-Mitgliedsstaaten soll ein fairer Wettbewerb herrschen. Staatliche Subventionen sind nur begrenzt erlaubt. Die Corona-Krise hat alles auf den Kopf gestellt. Nun fließen Milliardenhilfen zu den Unternehmen. Die EU muss jedoch einen Großteil davon genehmigen. Darum hat sie Regeln entstaubt, die lange Zeit als totes Recht galten. Die wichtigsten Fragen zum EU-Beihilferecht im Überblick.

  • Warum kann Österreich den heimischen Unternehmen in der Krise einfach Geld geben?

Generell darf Österreich heimische Firmen nicht beliebig hoch subventionieren. Finanzielle Zuschüsse sind grundsätzlich nur bis zu einer Höhe von 200.000 Euro (De-minimis-Beihilfe) erlaubt. Subventionen gelten als Verstoß gegen die Binnenmarktregeln. Ein Mitgliedsland soll Unternehmen nicht begünstigen und dadurch den Wettbewerb verfälschen. Die Vorschriften wurden im Zuge der Corona-Pandemie jedoch gelockert. Am 19. März hat die EU-Kommission das erste Mal den sogenannten "Befristeten Rahmen" erweitert. Die EU-Mitgliedsstaaten haben seitdem die Möglichkeit, Unternehmen durch staatliche Beihilfen zu stützen. Allerdings müssen sie ihre Hilfen bei der Kommission notifizieren, also zur Genehmigung anmelden.

  • Was bedeutet "befristeter Rahmen"?

Er basiert auf Artikel 107, 3 (b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er regelt Hilfen, die bei einer beträchtlichen Störung des Wirtschaftslebens zum Einsatz kommen. Was genehmigungspflichtig ist, liegt im Ermessen der EU-Kommission. Absatz 3.1 regelt Beihilfen bis zu 1,8 Millionen Euro (bis vorige Woche 800.000 Euro). Bis zu dieser Schwelle hat ein Mitgliedsstaat freie Wahl, wie er den Unternehmen unter die Arme greifen will, etwa durch Zuschüsse, Darlehen oder etwa Garantien. Absatz 3.12 regelt die Unterstützung von ungedeckten Fixkosten. Basis für die Berechnung sind die Verluste von Unternehmen. Wenn sie mehr als 30 Prozent Umsatzrückgang haben, können Verluste bis 70 Prozent (große Unternehmen) oder 90 Prozent (kleine Unternehmen) ausgeglichen werden. Die Schwelle wurde vergangene Woche von drei auf zehn Millionen Euro angehoben.

  • Wie lange gelten diese Regeln?

    Der befristete Rahmen gilt bis Ende 2021. Eine weitere, sechste Änderung, gilt als nicht ausgeschlossen.

    • In Medien ist immer wieder von einem Katastrophenparagraphen" die Rede. Was ist damit gemeint?

    Gemeint ist Artikel 107, 2 (b) des Vertrages über die Arbeitsweise der EU. Beihilfen sind dann mit dem Binnenmarkt vereinbar, wenn durch Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Ereignisse Schäden entstanden sind. Art. 107, 2 (b) gilt nur bei restriktiven behördlichen Maßnahmen, die das wirtschaftliche Leben beschränken. Außerdem muss zwischen Ereignis und verursachtem Schaden ein kausaler Zusammenhang bestehen. Die Höhe des Schadens ist grundsätzlich unbegrenzt, sie kann auch zum Beispiel 200 Millionen Euro betragen. Von Unionsgerichten gibt es allerdings eine restriktive Auslegung.

    • Hätte Österreich während des aktuellen Lockdowns mehr Geld an Unternehmen ausschütten können?

    Prinzipiell ja. Österreich könnte derzeit theoretisch auch den Katastrophenparagraphen für Wirtschaftshilfen anwenden, da zum Beispiel Hotels behördlich geschlossen sind. Die Regel zielt allerdings auf den durch die behördlichen Maßnahmen verursachten Schaden ab, nicht auf Verlust oder Umsatzrückgang. Unter dem befristeten Rahmen ist allerdings auch eine Unterstützung von Unternehmen erlaubt, die Verluste machen - ganz gleich, ob diese Verluste durch die behördlichen Maßnahmen hervorgerufen wurden. Welcher Rahmen genutzt wird, müssen die Mitgliedsstaaten abwägen.

    • Wie oft hat Österreich den Paragraphen angewandt?

    Zwei Mal: Im Mai 2020 in Höhe von acht Milliarden Euro und im Juli für die Rettung der angeschlagenen Fluglinie Austrian Airlines. Im September hat Österreich Hilfen im Rahmen von 107, 2 (b) beantragt. Da zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Lockdown-Maßnahmen in Kraft waren, hat die EU den Antrag abgelehnt.

    • Wie kontrolliert die EU-Kommission die Einhaltung des Beihilferahmens?

    Die EU-Kommission schaut sich rund 50 Hilfsprogramme pro Jahr genauer an. Bei Problemen in der Umsetzung werden die Mitgliedsstaaten kontaktiert. Sind Beihilfen rechtswidrig, drängt die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten, die ausbezahlten Gelder zurückzufordern.

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    • Wie viele Entscheidungen hat die EU bisher zu den Beihilfen getroffen?

    Die EU-Kommission hat bis dato 424 Entscheidungen zu über 500 staatlichen Unterstützungsprogrammen getroffen. Insgesamt wurde ein Budget von drei Billionen Euro genehmigt. Das zur Verfügung stehende Budget ist aber höher als das tatsächlich beanspruchte. Im Juni 2020 etwa wurden 15 Prozent des genehmigten Budgets verwendet. Zu Österreich gibt es bisher 13 Entscheidungen. Insgesamt wurden bisher 32 Milliarden Euro an Budget genehmigt, darunter etwa der Fixkostenzuschuss.

    • Wie viel haben die heimischen Wirtschaftshilfen bisher gekostet?

    Laut Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo wurden bislang für 2020 und 2021 finanzielle Hilfen im Umfang von 49,6 Milliarden Euro geleistet. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind das 12,5 Prozent. Den größten Teil macht die Kurzarbeit mit 13,5 Milliarden Euro aus, gefolgt vom Fixkostenzuschuss und Lockdown-Umsatzersatz mit 12 Milliarden Euro. Rund acht Milliarden Euro betragen die staatlichen Garantien und Haftungen. Die Herabsetzung und Stundung von Steuern und Abgaben der Unternehmen betragen zehn Milliarden Euro. Die restlichen rund sieben Milliarden Euro teilen sich auf Gemeindehilfen, NPO-Paket und Künstler-Unterstützung. Allerdings müssen nicht alle Wirtschaftshilfen von der EU genehmigt werden. Kurzarbeit, Härtefallfonds und die Steuerstundungen sind nicht genehmigungspflichtig.