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Höhere Steuermoral durch den Pranger

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Großkonzerne sollen mittels EU-Richtlinie offenlegen, wo sie wie viel Gewinn machen und wie viel an Steuern sie zahlen. Dass Österreich mitzieht, ist einem alten Parlamentsbeschluss von SPÖ, FPÖ und Grünen geschuldet.


Höhere Steuermoral durch mehr Transparenz. Darauf zielt ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission ab, der am Donnerstag von einer Mehrheit der EU-Wirtschaftsminister angenommen wurde. Demnach sollen im Rahmen des sogenannten "Country by Country Reporting" Großkonzerne künftig offenlegen, wie viel Umsatz und wie viel an Steuern sie in den einzelnen EU-Ländern und einer Handvoll vorab definierter Steueroasen erwirtschaften und abführen. Die Bilanzrichtlinie richtet sich an Firmen mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro und soll mittels Mehrheitsbeschluss noch im Rahmen der derzeitigen portugiesischen Ratspräsidentschaft in Kraft treten.

Seit Jahren fordern NGOs und Zivilgesellschaft mehr Steuertransparenz. Dass nun eine Mehrheit der EU-Länder dem Kommissionsvorschlag zugestimmt hat, liegt zum Teil an den geleerten Staatskassen nach einem Jahr Corona-Krise. Dass die Richtlinie tatsächlich ein Mehr an Steuern bringt, bezweifeln Ökonomen. Denn sie bietet weiterhin eine Reihe von Schlupflöchern. Aber der Reihe nach.

Schlaglicht auf Schlupflöcher

Auch bisher mussten Konzerne in dieser Größenordnung Country by Country Reports vorlegen. Diese sind aber nicht öffentlich und nur für die nationalen Steuerbehörden bestimmt. Mit der neuen Regelung wäre die Umsatz- und Steuertätigkeit für alle Bürger einsehbar. "Ich halte das für eine sehr gute Sache", sagt Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut zur "Wiener Zeitung". Durch "blaming and shaming" werde öffentlicher Druck auf die Konzerne aufgebaut, ihre Gewinne dort zu versteuern, wo sie auch anfallen.

Jährlich entgehen den EU-Staaten laut EU-Kommission 130 Milliarden Euro an Steuereinnahmen durch Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Steueroptimierung. Allein für Österreich beläuft sich der Entgang auf 9 bis 13 Prozent der Körperschaftssteuer; gut eine Milliarde Euro. Das ergaben Berechnungen des französischen Ökonomen Gabriel Zucman. Ein Teil dieser nicht abgeführten Steuern landet durch äußerst kreative Buchhaltung in Steueroasen außerhalb und innerhalb der EU.

Ein Beispiel dafür ist das "Double Irish with a Dutch Sandwich". Die Idee ist, die Steuerlast innerhalb eines Konzerns von einem Land mit relativ hohen Gewinnsteuern in ein Land mit niedrigen umzuleiten. Ein US-Konzern erwirtschaftet in Österreich einen bestimmten Umsatz. Ein Teil des Gewinns wird in Form von Lizenzgebühren an eine irische Tochtergesellschaft abgeführt und schmälert so den zu besteuernden Gewinn hier.

In Irland gilt ein Gewinnsteuersatz von 12,5 Prozent, hier sind es 25 Prozent. Die Irlandstochter zahlt wiederum Tantiemen an ein niederländisches Tochterunternehmen, was nochmals die Steuerlast in Irland senkt. Die Niederland-Tochter überweist das Geld abgabenfrei, weil innerhalb der EU, an eine zweite Irland-Gesellschaft, die wiederum in Besitz eines Unternehmensteiles mit Sitz in einer Steueroase ist. So wird der Gewinn so lange herumgeschoben, bis praktisch kaum noch Steuern darauf anfallen. Die Methode ist höchst umstritten. In der Vergangenheit bedienten sich ihrer aber ein großer Teil der international tätigen Konzerne wie Apple, Amazon oder Starbucks.

Wenig Einfluss auf Steuern

Die neue Richtlinie hat keinen Einfluss auf das tatsächliche Steueraufkommen, aber sie soll zumindest offenlegen, wo und wie viel bezahlt wird. Die globalisierungskritische NGO Attac begrüßt den Vorstoß grundsätzlich. "Wir halten das für ein wichtiges Instrument in Richtung mehr Steuergerechtigkeit", sagt ihr Sprecher David Walch. Die Grenze von 750 Millionen Euro Umsatz sei aber zu hoch angesetzt und erfasse 90 Prozent der in der EU tätigen Unternehmen nicht. "Wir fordern eine Umsatzgrenze von 40 Millionen Euro." Für Banken und Rohstoffkonzerne gibt es bereits ein öffentliches Country by Country Reporting für alle Länder; mit einer Umsatzgrenze von 40 Millionen Euro für Rohstoffkonzerne.

Zudem sollten nicht nur Tätigkeiten in der EU und einer Handvoll ausgewiesener Steueroasen wie Panama offengelegt werden, sondern in allen Länden der Welt, etwa auch den USA, so Walch.

Die Einschränkung sieht auch Schratzenstaller kritisch. Es brauche eine breite Palette an Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit. "Wir sollten auch über einen Mindeststeuersatz in der EU diskutieren", meint sie, um zumindest die innereuropäische Steuerkonkurrenz einzudämmen. Zudem müsse man bei der neuen Regelung aufpassen, welche Daten genau publik gemacht werden und wie man sie in der Öffentlichkeit und in den Medien interpretiert. Es gebe auch nachvollziehbare Gründe, warum in einem Land mehr Steuer als in einem anderen bezahlt werden.

Durch Beschluss dafür

Österreich war übrigens eines jener Länder, das sich lange Zeit gegen eine öffentliche Berichtspflicht ausgesprochen hat. Dass Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) am Donnerstag nun doch dafür gestimmt hat, ist einem Parlamentsbeschluss von Dezember 2019, also vor Türkis-Grün, geschuldet. Damals verpflichtete das Parlament mit den Stimmen der SPÖ, der Grünen und der FPÖ quasi jede zukünftige Regierung dazu, für öffentlichen Country by Country Reports auf EU-ebene zu stimmen.