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Chinas Seidenstraße und Wiens Beitrag

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Chinas Interesse an Osteuropa ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Und Wien spielt dabei eine wesentliche Rolle.


Der slowenische Haushaltsgerätehersteller Gorenje wurde 2018 vom chinesischen Elektronikkonzern Hisense übernommen. Eine wichtige, legistische Rolle spielte eine Wiener Anwaltskanzlei bei dieser Übernahme. Auch beim Kauf eines Solar-Energieparks in Bulgarien durch die chinesische Jiangsu Zongyi Solar Power CO. war eine Wiener Anwaltsfirma involviert. Chinas wirtschaftliches Interesse an Osteuropa ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Und Wien spielt als Standort hier eine zentrale Rolle. Zahlreiche Firmenübernahmen, öffentliche Aufträge und Geschäftsanbahnungen von chinesischen Firmen werden über Wien von hiesigen Kanzleien, manche mit Firmensitzen in den zentral- und osteuropäischen Ländern, abgewickelt.

"Wien ist nach wie vor eine Drehscheibe für Zentral- und Osteuropa, das gilt auch für chinesische Investoren", sagt Christian Mikosch, Leiter des China Desk bei der österreichischen Anwaltskanzlei Wolf Theiss. Das ist eine jener Kanzleien, die chinesische Investoren bei Akquisitionen, Übernahmen und Ähnliches betreut. "Österreichische Berater spielen eine entscheidende Rolle bei Übernahmen in CEE (Zentral- und Osteuropa, Anm.)", sagt er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Wien als Vermittler

Das war nicht immer so. Laut Mikosch war lange Zeit London der Knotenpunkt für chinesische Investitionen in Europa, vor allem im Finanzsektor. Das änderte sich schlagartig im Zuge der chinesischen "One Road - One Belt"-Initiative, der neuen Seidenstraße. 2013 startete das internationale Mega-Projekt. Damit wuchs auch das Interesse Chinas an Osteuropa und eben an Wien. Das Projekt soll die historischen Routen der alten Seidenstraße wiederbeleben und die führen auf dem Landweg eben über Osteuropa nach Wien.

Insgesamt flossen seit 2005 laut dem "China Global Investment Tracker" fast 360 Milliarden Euro aus China nach Europa. Dabei stiegen die Direktinvestitionen in östlichen EU-Länder und in die Länder des Balkans vor allem in den vergangenen zehn Jahren stark an. Die chinesischen Direktinvestitionen in Ungarn sind seit 2013 von knapp über einer Milliarde US-Dollar auf rund zwei Milliarden angestiegen. Auf Serbien entfallen gar nahezu 10 Milliarden Euro, serbischen Medien zufolge.

Die geopolitische Bedeutung Österreich im Rahmen dieses Megaprojekts neue Seidenstraße lässt sich auch an der Anzahl der chinesischen Niederlassungen in Österreich ablesen. Derzeit haben zirka 40 chinesische Unternehmen eine Niederlassung in Österreich. Zählt man auch Beteiligungen dazu, sind laut Wirtschaftskammer, 230 chinesische Firmen in Österreich tätig oder involviert. Die chinesischen Direktinvestitionen betragen 1,1 Milliarden Euro.

Die chinesische Bank ICBC hat eine Niederlassung in Wien gegründet und wickelt ihr Geschäft für Zentral- und Osteuropa von hier ab. Der größte chinesische Schienenhersteller CRRC Zhuzhou Electric Locomotive hat seine Europa-Zentrale schon 2016 in Wien eröffnet. "Die chinesischen Investments hier sind bedeutend und unterstreichen die Rolle Wiens als Drehscheibe", sagt Michael Otter, Leiter der Außenwirtschaft in der Wirtschaftskammer.

Umstrittene Beziehungen

Unumstritten sind die Beziehungen zu China nicht. Die EU hat erst vergangene Woche Sanktionen gegen China wegen der Unterdrückung der uigurischen Minderheit und mutmaßlicher Zwangsarbeit in der Baumwollproduktion verhängt. China reagierte mit Boykottaufrufen gegen westliche Sport- und Modefirmen.

In Brüssel beobachte man den wachsenden wirtschaftlichen, und damit politischen Einfluss, in Osteuropa jedenfalls genau. Dass die Sanktionen den Investitionsfluss stoppen, glaubt Mikosch nicht. Das werde zwar kurzfristig Auswirkungen auf staatliche chinesische Investitionen haben, aber wohl kaum oder nur in geringem Ausmaß auf das Engagement privater chinesischer Investoren.