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Auf die Plätze, fertig, los!

Von Bernd Vasari Illustration: Irma Tulek

Wirtschaft

Nach den Konjunkturprogrammen der Europäischen Union und der USA kündigte China nun ein Konsumprogramm an. Der Wettlauf der drei größten Wirtschaftsräume hat begonnen: Wer kommt am besten aus der Corona-Krise heraus?


Konjunkturpakete sind eine Ansage von Regierungen und Präsidenten an die eigene Bevölkerung. Normalerweise. Doch Normalität ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie ein Zustand aus fernen Zeiten. "Wir arbeiten wieder. Träumen wieder. Entdecken wieder," sagte Joe Biden bei seiner ersten Ansprache als US-Präsident vor beiden Kongresskammern. Anschließend richtete sich sein Blick aber sofort über die Landesgrenzen hinweg: "Und wir führen die Welt wieder an", fügte er hinzu.

Mit den billionenschweren Plänen des Demokraten soll einerseits ein tiefgreifender Wandel in den USA herbeiführt werden. Doch die Pläne sind auch eine Ansage an die beiden anderen großen Volkswirtschaften, an die Europäische Union und vor allem an China. Die Ausgaben seien notwendig, um mit China Schritt zu halten. "Es gibt einfach keinen Grund, warum die Rotorblätter für Windturbinen nicht in Pittsburgh statt in Peking gebaut werden können", betonte der US-Präsident.

Fest steht, dass die Corona-Pandemie alle drei Volkswirtschaften erschütterte: Es gab massenhaft Arbeitslose und bankrotte Unternehmen. Doch mit welchen Maßnahmen wollen China, die USA und die EU die Krise hinter sich lassen? Ein Überblick:

  • China: Neue Stärke durch mehr Inlandskonsum

Die Volksrepublik hat bereits im vergangenen Mai als Erste ein Konjunkturpaket erlassen. Mit neuen Schulden und die zusätzliche Ausgabe von Staatsanleihen im Wert von einer Billion Yuan (rund 128 Milliarden Euro) sollte die Wirtschaft neuen Schwung erhalten. Zusätzlich wurde die Ausgabe von regionalen Anleihen von 2,15 auf 3,75 Billionen Yuan im Vergleich zum Vorjahr erhöht, um neue Infrastruktur zu finanzieren. Kleine und mittelgroße Firmen erhielten einen signifikant besseren Zugang zu Krediten, Abgaben und Steuern wurden im Umfang von 500 Milliarden Yuan gesenkt.

Chinas Regierung verfolgte eine "Null-Covid-Strategie": Ein rigoroser Lockdown und scharfe Einreisekontrollen führten dazu, dass - abgesehen von kleineren lokalen Ausbrüchen - bereits seit gut einem Jahr nur noch sehr wenige Corona-Fälle auftreten. Seitdem befindet sich die Wirtschaft auf Erholungskurs.

China ist also einen Schritt weiter. Während die USA und die EU zuletzt ihre Konjunkturprogramme präsentieren, kündigt die Volksrepublik bereits eine Konsumoffensive an. In den fünftägigen Ferien rund um den Tag der Arbeit am 1. Mai soll der private Konsum angekurbelt werden.

Riesige Messen sind geplant, wie eine Lebensmittelmesse in Yangzhou und in Guangzhou. Die Stadt Haikou auf der subtropischen Insel Hainan wird vom 7. bis 10. Mai die erste Konsumgütermesse abhalten. Neben einheimischen Produkten sollen dort Marken aus 69 Ländern und Regionen präsentiert werden. Es werden über 10.000 Händler und mehr als 200.000 Besucher erwartet. Globale Marken wie Swatch, Shiseido, Dell und Tesla haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.

Zudem sollen E-Commerce-Plattformen einen halben Monat lang Lebensmittel, Reisen sowie Kultur- und Sportprodukte von "Marken guter Qualität" fördern. Die Ausweitung des Inlandskonsums ist eine Priorität in Chinas wirtschaftlicher Strategie des "doppelten Kreislaufs", die Präsident Xi Jinping ausrief. Damit will der Exportweltmeister auch seine Abhängigkeit von ausländischen Märkten verringern.

Doch durch die Corona-Krise halten sich die Menschen mit großen Ausgaben derzeit zurück, sagt Max Kärnfelt, Ökonom vom Mercator Institute for China Studies in Berlin. Zudem gebe es ein weiteres Problem. "Die Einkommen wachsen langsamer als die gesamte Wirtschaft." Gewerkschaften sind im Land nicht erlaubt, Gehaltserhöhungen seien oftmals nur schwer durchzubringen, während etwa die Wohnungspreise steigen. "Dadurch haben die Menschen auch weniger für Konsum zur Verfügung", sagt der Ökonom.

Besonders ein starker Außenhandel half daher Chinas Wirtschaft auf die Sprünge. Chinas Fabriken liefen auf Hochtouren, um medizinische Güter wie Corona-Tests und Schutzmasken in alle Welt zu exportieren. Auch Laptops und andere Ausstattung für das Homeoffice kommen zumeist aus China.

Die Industrieproduktion zog im ersten Quartal um 24,5 Prozent an. Wie schon in der globalen Finanzkrise 2008 hilft China dabei, der Weltwirtschaft neuen Schwung zu verleihen. Deutsche Autobauer und auch viele andere Firmen, die auf dem chinesischen Markt agieren, freuten sich zuletzt über üppige Gewinne.

Das Ergebnis: Chinas Wirtschaft hat die Corona-Krise weitgehend überwunden und ist mit einem Rekordwachstum ins neue Jahr gestartet. Die zweitgrößte Volkswirtschaft legte in den ersten drei Monaten um 18,3 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres zu. Es handelt sich um den größten Sprung seit Beginn der quartalsweisen Auswertung vor gut 30 Jahren.

  • USA: Aus der Krise mit drei Billionen-Programmen

Ein jämmerliches Bild bot die größte Volkswirtschaft während der Corona-Krise - noch unter dem US-Präsidenten Donald Trump. Die USA sind weltweit mit Abstand am stärksten von der Pandemie betroffen. Von weltweit 3,1 Millionen Corona-Toten kamen 574.000 aus den USA. Zudem gab es den drastischsten Konjunktureinbruch seit 1946.

Nun versucht Joe Biden, das Ruder herumzureißen. In seinen ersten 100 Amtstagen kündigte er drei Billionen-Dollar-Programme an. Das erste Paket in Höhe von rund 1,9 Billionen Dollar (1,6 Billionen Euro) brachte er bereits Anfang März durch. Mit dem gewaltigen Rettungspaket will Biden den Kampf gegen die Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen verstärken. Vorgesehen sind unter anderem Schecks über 1.400 Dollar für nahezu alle Amerikaner außer Besserverdiener, was sich mit mehr als 400 Milliarden Dollar zu Buche schlagen wird. Zusätzliche Arbeitslosenhilfen in Höhe von wöchentlich 300 Dollar wurden bis September verlängert. Außerdem wurden Steuernachlässe für Familien mit Kindern und Geringverdiener ausgeweitet.

Vorgesehen sind weiters Milliarden für Corona-Impfungen und Corona-Tests, eine sichere Wiederöffnung von Schulen sowie für in die Krise geratene Betriebe. Städte und Bundesstaaten sollen 350 Milliarden Dollar erhalten, damit sie die Auswirkungen der Corona-Pandemie schultern können. Anfang April schlug Biden ein weiteres massives Investitionspaket von rund zwei Billionen Dollar für die kommenden acht Jahre vor. Damit soll die Infrastruktur des Landes erneuert und sollen Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden.

Bidens drittes Paket sieht die Stärkung amerikanischer Familien vor, das auf zehn Jahre gestreckt ein Volumen von 1,8 Billionen Dollar haben soll. Eltern, frühkindliche Erziehung und Bildung sollen gefördert werden, während Haushalte mit mittleren und geringeren Einkommen gleichzeitig auf steuerliche Entlastung hoffen dürfen. Ob, wann und in welchem Umfang die beiden Infrastrukturpakete vom Kongress beschlossen werden könnten, ist jedoch unklar.

Die OECD hob jedenfalls ihre Prognose für 2021 deutlich an. Sie geht jetzt von einem Wachstum von mehr als sechs Prozent in den USA aus, nachdem sie vor drei Monaten lediglich um die drei Prozent für möglich gehalten hatte. Manche Volkswirte sind sogar noch optimistischer als die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

  • EU: Geld vom Aufbaufonds und viel Geduld

In der Europäischen Union hat sich ein Prinzip auch nicht durch die Corona-Krise verändert. Es gibt massenhaft finanzielle Mittel, aber es dauert, bis eine Entscheidung fällt. Wenn viel Zeit vergeht, gibt es aber auch die Möglichkeit für mehrere Nachdenkpausen. Und Nachdenken kann durchaus fruchtbar sein.

Neben den Hilfen in den einzelnen Mitgliedsstaaten haben sich die Länder auch zu einem EU-Paket durchgerungen. 750 Milliarden Euro schwer ist der sogenannte Aufbaufonds. Nun muss er noch in allen Staaten ratifiziert werden.

Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien drückten zuletzt aufs Tempo. Die vier großen EU-Länder riefen die anderen Mitgliedstaaten am Mittwoch auf, "so bald wie möglich" den Finanzierungsbeschluss für den Aufbaufonds zu ratifizieren. Österreich rechnet mit rund 3,5 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem EU-Wiederaufbauplan. Große Teile des österreichischen EU-Wiederaufbauplans sollen in den Bahn- und Breitbandausbau sowie in Öko-Investitionen fließen, die "Wiener Zeitung" hat berichtet.

Um den Plan zu finanzieren, soll die EU-Kommission Schulden in bisher ungekannter Höhe im Namen der Union aufnehmen. Dem müssen noch alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen. Dies haben bisher 19 Länder getan. Es fehlen noch Estland, Finnland, Irland, Österreich, Polen, Rumänien und Ungarn.

"Unser Ziel ist es, Innovation quer durch Europa zu stärken, um unabhängiger und souveräner zu werden", sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire. Er rief die EU-Kommission auf, die nationalen Ausgabenpläne nun schnell zu prüfen, damit diese "spätestens im Juli" verabschiedet werden und Gelder noch "vor Ende des Sommers" fließen könnten.