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EU-Klimaneutralität als Herkules-Aufgabe

Von Monika Jonasch

Wirtschaft
Fossile Energie hat in Europa keine Zukunft mehr.
© reuters / Peter Andrews

Hinter dem Grünen Deal oder "Fit for 55" verbergen sich gewaltige Anstrengungen der EU, die Klimaneutralität bis 2050 zu stemmen. Das bringt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für jeden einzelnen Europäer große Veränderungen.


Es sind die politischen Schlagworte, welche besonders viel Aufmerksamkeit bekommen, der Teufel steckt aber bekanntlich immer in den Details. So nannte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem Dienstantritt den Green Deal als großes Ziel. Wie man dorthin gelangen will, ist politisches Feintuning und ein laufender Prozess. Unzählige Verordnungen und Gesetze müssen hierfür angepasst werden. Und von den Schlagworten bis zur Umsetzung ist es ein mühsamer Weg.

Was mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 begann, wird nun weitergedacht, verschärft, abgestimmt und die bisherigen Anstrengungen evaluiert.

Das neue EU-Klimaziel, auch bekannt unter dem Namen "Fit for 55", lautet nun, bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger klimaschädliche Treibhausgase auszustoßen als 1990. Zuvor wollte man nur 40 Prozent Reduktion erreichen, aber die Realität mit den diversen, sehr konkreten Auswirkungen der Klimaerwärmung, wie Dürren, Stürme, Überschwemmungen, hat die EU-Ziele von einst überholt. Bis 2050 will die EU jedoch klimaneutral sein

Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, muss Europa seine Wirtschaft umfassend umbauen und auf neue Parameter einschwören. Die nächsten diesbezüglichen Vorgaben wird die EU am 14. Juli präsentieren, sie sind aber nur ein Schritt auf einem langen und anstrengenden Weg.

Stellschraube Energie

Im Fokus steht zunächst einmal der Energiesektor, denn bei Energieerzeugung und -verbrauch fallen 75 Prozent aller schädlichen Treibhausgase in Europa an.

Betreffen werden die Vorgaben in diesem Bereich aber nicht nur die Energielieferanten, sondern sie werden sich auch auf die einzelnen Menschen auswirken. Energiepreise sind auch Stellschrauben für soziale Gerechtigkeit und können ausbalancieren, dass sich etwa erhöhte Abgaben auf Benzin und Diesel ebenso wie Gebäudesanierungen allzu negativ auf das Haushaltsbudget der Bürger auswirken. Das Thema birgt also durchaus auch sozialen Sprengstoff.

Gleichzeitig soll Europas Energieerzeugung auf nachhaltige und klimafreundliche Produktion umgestellt werden, das bedeutet allerdings erhöhte Investitionen, auch in die Infrastruktur.

Grenzübergreifende Strukturen sollen hier helfen, Lieferengpässe, etwa bei Solar- und Windenergie, abzufedern. Diesbezügliche Anpassungen des gesamteuropäischen Systems laufen bereits seit Jahren, nun müssen sie weiter verfeinert werden, um auch Ländern den Ausstieg aus fossilen Energien zu ermöglichen, die derzeit noch hochgradig von ihr abhängig sind. Die EU-Mitgliedsstaaten sind hierbei höchst unterschiedlich aufgestellt, manche haben bereits seit Jahrzehnten in dieser Richtung investiert, andere stehen noch ganz am Anfang. Und dennoch soll der ganze Kontinent bis 2050 auf eine saubere Energiezukunft einschwenken.

Um die Emissionsreduktion zu erreichen, forciert man Elektromobilität, weil sie effizienter ist, ebenso wie Wasserstoff als Alternativtreibstoff, etwa für Schwertransport und Industrie.

Darüber hinaus ist Biomasse von großem Interesse, stellt sie doch derzeit 60 Prozent der erneuerbaren Energie in der EU. Aber auch hier gilt es noch genauestens zu regulieren, wie sie erzeugt werden darf, sodass dies auch nachhaltig geschieht und sich nicht womöglich negativ auf die Biodiversität in den europäischen Wäldern auswirkt.

Effizienz - weniger ist mehr

Die beste Energie ist jedoch jene, die man gar nicht erst benötigt. Also setzt die EU massiv auf Energieeffizienz. Ihr Ziel: eine Effizienzsteigerung von 36-37 Prozent und etwa 40 Prozent weniger Energiebedarf. Potenzial sieht man vor allem im Gebäudebereich, bei Heizung und Kühlung, sowie bei der Industrie und im Transport. Auch die Verwaltung muss hier mit gutem Beispiel vorangehen, liegt dort doch ein Einsparpotenzial von 30 Prozent.

Mehr Wirtschaftswachstum mit weniger Energieverbrauch und dabei auch noch mehr als 400.00 neue Jobs zu schaffen, das ist das erklärte EU-Wunschziel.

Erreichen will Europa dies mit milliardenschweren Förderungen für Innovation. Dafür will die EU jährlich 350 Milliarden Euro in die Hand nehmen. 100 Milliarden Euro würde man sich bis 2030 allein durch weniger Energieimporte ersparen, schätzt man offiziell.

Letztlich soll sich das für alle EU-Bürger auszahlen, den Kontinent wettbewerbsfähiger machen und die Klimaerwärmung ausbremsen. Und das wird Europa nachhaltig verändern.