Niemand zahlt gern Steuern. Es wundert daher nicht, dass große, multinationale Unternehmen Gewinne gerne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschieben, und das völlig legal. Viele dieser sogenannten Steuerparadiese sind keine Inseln unter Palmen wie die berühmten Cayman Islands. Irland zum Beispiel lockt Unternehmen mit einem nominellen Steuersatz von 12,5 Prozent an. In den USA wären 35 Prozent fällig. So ist es denn auch kein Zufall, dass zahlreiche multinationale Konzerne wie Facebook, Google und Apple ihre Europazentralen in Irland haben.

Nun sollen sie künftig mindestens 15 Prozent Körperschaftsteuer zahlen. 131 Länder haben sich unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD unlängst darauf geeinigt. Unter den acht Staaten, die nicht mitziehen wollen, sind aus Europa neben Irland auch die Niedrigsteuerländer Ungarn und Estland. Ihr Widerstand könnte innerhalb der Europäischen Union zum Problem werden, da für die Einführung einer globalen Mindeststeuer in der EU Einstimmigkeit nötig ist.

Die Iren pochen auf ihre
Souveränität

Aus der Sicht Irlands ist es das vornehmste Recht eines Staates, seine Steuersätze selbst festzulegen. "Für die irische Regierung geht es ums Prinzip", sagte Brian Keegan vom Verband der Wirtschaftsprüfer, Chartered Accountants Ireland, dem "Handelsblatt". Eine globale Mindeststeuer würde Irland die Souveränität nehmen, den eigenen Steuersatz selbst zu bestimmen.

Den Weg für ein Abkommen sollen diese Woche die Finanzminister der G20, der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer der Welt, bei ihrem Treffen in Venedig ebnen. Auch die G20 - die EU zählt als Vollmitglied neben ihren drei Mitgliedstaaten Frankreich, Deutschland und Italien- haben sich für das Vorhaben einer globalen Mindeststeuer ausgesprochen und sollen es nun offiziell bestätigen.

Das Projekt gilt als revolutionär, denn es soll für mehr Gerechtigkeit in der Welt sorgen. Die OECD spricht von weltweit 8.000 internationalen Konzernen, die künftig in jedem Land, in dem sie tätig sind, mindestens 15 Prozent Steuern abzuführen haben. Liegt der Steuersatz unter dem neuen Mindestwert von 15 Prozent, muss der Konzern die Differenz im Heimatland nachversteuern. Oft sind das die USA, die mit den Mehreinnahmen ihre Steuerlöcher stopfen wollen. "Der irische Finanzminister Paschal Donohoe müsste sich also überlegen, ob er von Apple weiterhin nur die sagenhaften 12,5 Prozent verlangt und den Rest der Steuererlöse der Kollegin Janet Yellen in Washington überlässt", schreibt die "Süddeutsche Zeitung".

Die OECD rechnet bei einer Mindeststeuer von 15 Prozent mit Mehreinnahmen von rund 150 Milliarden Dollar pro Jahr. Die neuen Regeln sollen ab 2023 gelten, was als ambitioniert gilt. Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz zeigte sich bei seiner Ankunft in Venedig optimistisch. "Bei der globalen Mindeststeuer gibt es keine Knackpunkte mehr", sagte er. Das Projekt sei nicht mehr in Gefahr.

Außerhalb der Politik gibt es heftige Kritik an den Plänen. Die Entwicklungsorganisation Oxfam bezeichnete die Steuer als "unfair" und "zu niedrig". Sie kritisiert, dass die G7-Staaten davon profitieren würden, da viele der großen Konzerne dort angesiedelt seien - und zwar auf Kosten ärmerer Länder.

Die globalisierungskritische Bewegung Attac stößt ins gleiche Horn. Attac sieht keine gerechte und effektive Lösung im Kampf gegen Konzern-Steuertricks. "Die globale Mindeststeuer von 15 Prozent wird den globalen Steuerwettlauf nach unten nicht stoppen, sondern anheizen", heißt es. Die Aufteilung der zusätzlichen Einnahmen beider Säulen der Reform würden ärmere Staaten benachteiligen, die schon jetzt am meisten unter den Gewinnverschiebungen leiden, massiv. Attac fordert eine globale Mindeststeuer von 25 Prozent.

Zweifel über erwartete Mehreinnahmen

Es herrschen auch Zweifel über die Mehreinnahmen für die Staaten. Nach Ansicht des Siemens-Konzerns entstünde ein massiver Aufwand für Firmen und Finanzämter. "Der Berechnungsaufwand für die Unternehmen und der Prüfaufwand für die Finanzverwaltungen weltweit sowie die Risiken von Doppelbesteuerung dürften mit den voraussichtlich moderaten fiskalischen Effekten in keinem vernünftigen Verhältnis stehen", so der Konzern.

Siemens gehört zu den größten deutschen Unternehmen, die der Mindeststeuer unterlägen. Zudem könnte der Konzern künftig davon betroffen sein, dass die 100 größten und profitabelsten Unternehmen weltweit ihre Steuern mehr als bisher dort zahlen sollen, wo sie am Markt aktiv sind, und weniger am Ort ihres Firmensitzes. (ede/apa)