Die Lieferengpässe bei Mikrochips halten an. Das bremst vor allem die Autohersteller aus, denn in modernen Fahrzeugen befinden sich dutzende elektronische Bauteile. Um einen Elektromotor effizient zu drehen, brauche man ein halbes Kilo Halbleiter, weiß Reinhard Ploss, Vorstandsvorsitzender von Infineon. Mit jedem neuen Feature wird mehr Elektronik benötigt.

Auch wer kein Auto besitzt, kommt im Alltag ohne Halbleiter nicht aus. Sie sind in Mobiltelefonen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Fernsehern, in der Kreditkarte und im Reisepass. Bis aus dem wichtigsten Rohstoff - Silizium - Mikrochips werden, sind zahlreiche aufwendige Prozesse erforderlich. Zuletzt werden die Chips in großer Zahl gemeinsam aus hauchdünnen Scheiben, den "Wafern" geschnitten.

Dass Not erfinderisch macht, zeigt nun der zum Volkswagen-Konzern gehörende deutsche Sportwagen-Hersteller Porsche. Dort behilft man sich mit Dummy-Chips, wie Porsche-Chef Oliver Blume in Zeitungsinterviews sagte. "Sobald die realen Chips verfügbar sind, rüsten wir diese Fahrzeuge nach." Porsche habe innerhalb des VW-Konzerns wegen seiner ergebnisstarken Modelle "eine gewisse Priorität", so Blume. Im zweiten Halbjahr wolle das Unternehmen an den Wochenenden aufholen. "Aber auch das hängt von der Halbleiter-Verfügbarkeit ab."

Produktion in Südostasien stockt

Bei Porsche geht es laut Blume um eine niedrige fünfstellige Anzahl an Fahrzeugen. Der VW-Konzern insgesamt hatte wegen des Chipmangels in der ersten Jahreshälfte eine hohe sechsstellige Zahl an Fahrzeugen nicht produzieren können, hieß es bei der Halbjahrespressekonferenz.

Die Lieferengpässe hätten sich inzwischen nach Südostasien verlagert, wo es in mehreren Ländern mit wichtigen Standorten der Halbleiterindustrie wegen der neu aufflammenden Pandemie zu Produktionsstillständen gekommen sei. Der französische Fahrzeughersteller Renault rechnet damit, dass er wegen der Halbleiterknappheit heuer etwa 200.000 Fahrzeuge nicht bauen kann.

Im Herbst könnte es auch schwieriger werden, die neuesten Smartphones zu bekommen. Apple-Chef Tim Cook warnte vor kurzem vor einem Lieferengpass bei iPhones und iPads im laufenden Quartal, da die Nachfrage so hoch sei. Auch Ende 2020 kämpfte Apple mit Produktions- und Lieferengpässen. Die Auslieferung verzögerten sich teilweise erheblich.

Auch der steirische Sensorhersteller ams Osram sieht sich vom Halbleitermangel gebremst. Konzernchef Alexander Everke zeigte sich am Freitag "sehr zufrieden" mit der Geschäftsentwicklung. Auch bei der Schaffung von Synergien durch die Übernahme von Osram sei man voll im Plan. Allerdings erwartet Everke, dass "die anhaltende Knappheit bei der Chipversorgung und Ungleichgewichte in den Lieferketten weiterhin die Möglichkeiten beschränken, die anhaltend starke Nachfrage, insbesondere im Automobilmarkt, vollständig zu bedienen". Er erwartet, dass dies "bis in den späteren Teil der zweiten Jahreshälfte" anhalten werde. ams stellt unter anderem Sensoren für Smartphones her, wichtigster Kunde war Apple. Berichten zufolge bricht das lukrative Geschäft mit dem US-Konzern allerdings schneller weg als bisher angenommen.

Chiphersteller profitieren von starker Nachfrage

Chipherstellern spielt die Krise hingegen in die Hände. Das taiwanesische Unternehmen TSMC ist der weltweit größte Auftragsfertiger von Chips und Wafern, den Grundplatten für elektronische Halbleiter. Zu den größten Kunden gehört iPhone-Hersteller Apple. TSMC liefert aber auch Chips für Fernseher oder Fahrzeuge. Im zweiten Quartal stiegen die Umsatzerlöse des Unternehmens um 28 Prozent auf rekordmäßige 13,3 Milliarden Dollar. Der Gewinn legte um elf Prozent auf 4,8 Milliarden Dollar zu. Inzwischen ist TSMC mit einem Marktwert von 567 Milliarden Dollar die Nummer elf der wertvollsten börsennotierten Unternehmen der Welt und mehr als doppelt so viel wert wie der US-Anbieter Intel.

Intel hat zuletzt Amazons Cloud-Sparte AWS und Qualcomm als Kunden für die Auftragsfertigung gewonnen. Dabei will AWS bei Server-Prozessoren aus eigener Entwicklung auf Intels Technik zum Montieren von Elementen des Chipsystems setzen. Qualcomm will auf die erste neue Transistor-Architektur von Intel seit mehr als einem Jahrzehnt zurückgreifen, die 2024 einsatzbereit sein soll.

Der Chef des US-Chip-Riesen, Pat Gelsinger, rechnet damit, dass sich die globale Halbleiter-Knappheit in den kommenden Monaten noch zuspitzt und bis ins Jahr 2023 hinein andauern kann. Er erwartet, dass die Talsohle bei den Engpässen in der zweiten Jahreshälfte durchschritten wird, es aber noch ein oder zwei Jahre dauern werde, bis die Industrie die Nachfrage vollständig erfüllen könne. Auch Intel sei dabei, Produktionskapazität aufzubauen. Der Konzern will verstärkt als Auftragsfertiger für andere Chip-Entwickler agieren. Man sei in Gesprächen mit rund 100 potenziellen Kunden. (ede)