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Unternehmen auf Schiene

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
Die Schweizer Handelskette Coop setzt bei mehr als zwei Drittel ihrer Warentransporte zwischen den nationalen und regionalen Verteilzentralen auf die Bahn.
© Coop / Railcare

Konzerne wie Coop, JDE Peet’s und Henkel transportieren ihre Güter mit der Bahn. Doch es gibt ein Problem.


Der neueste Bericht des Weltklimarats zeigt deutlich die Zunahme von Wetterextremen. Verursacht werden sie durch die fortschreitende Erwärmung der Erdatmosphäre, erzeugt durch den Menschen. Daran lassen die Forscher keine Zweifel in ihrem Bericht. Doch wie geht es weiter? Welche Schrauben können gedreht werden, damit die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sinkt?

Einer der Hauptverantwortlichen für den Ausstoß von Treibhausgasen ist der Verkehr. Um die Umwelt zu schonen, wäre eine deutliche Verlagerung von der Straße auf die Schiene notwendig.

Das sehen mittlerweile nicht nur Umweltschützer so, sondern auch einige Konzerne, die ihre Güter mit der Bahn transportieren. Darunter die Schweizer Handelskette Coop, die niederländische Kaffee-Holding JDE Peet’s mit Marken wie "Jacobs" und der deutsche Konsumgüterkonzern Henkel. Die "Wiener Zeitung" hat mit ihnen über Vor- und Nachteile gesprochen:

Ein Coop-Güterzug ersetzt 28 Lkw

Coop setzte sich bereits 2008 das Ziel, bis 2023 in den relevanten Bereichen des Unternehmens CO2-neutral zu sein. Dafür musste vor allem der Warentransport neu aufgestellt werden. Die Handelskette setzt auf alternative Treibstoffen wie Wasserstoff oder Biodiesel und eben auf Bahn-Transport. Jeder Coop-Güterzug ersetzt durchschnittlich 28 Lkw.

"Aktuell setzen wir bei bereits mehr als zwei Drittel unserer Warentransporte zwischen unseren nationalen und regionalen Verteilzentralen auf die Bahn", sagt Sprecher Patrick Häfliger. 2020 waren das knapp eine Million Tonnen Güter. 8.307 Tonnen CO2 und über 11,2 Millionen Strassenkilometer wurden dadurch eingespart. "Unser Ziel ist es, unser gesamtes Volumen auf Schiene zu bewältigen", sagt er.

Derzeit wird der Umschlag der standardisierten Container horizontal abgewickelt. Lkw und Güterwaggons sind dafür mit Hub- und Seitenverschub-Konstruktionen ausgerüstet: Der sogenannte Container-Mover hebt den Container mit Druckluft an und verschiebt ihn seitlich hydraulisch vom Wagenadapter auf den Lkw und zurück. Der Umschlag wird vom Fahrer ferngesteuert und dauert weniger als fünf Minuten.

Die Herausforderung: "Die Transporte auf der Schiene müssen sich möglichst einfach in die bestehenden Logistikprozesse integrieren lassen", sagt Häfliger. "Es braucht dafür eine vollintegrierte, transportträger-übergreifende Logistikkette mit Planung, Steuerung, Realisierung und Überwachung."

Kaffee-Bohnen mit eigenem Bahngleis

Auch die niederländische Kaffee-Holding JDE Peet’s setzt auf die Bahn. Angeliefert wird der Kaffee mit dem Schiff aus Übersee. Die grünen Bohnen werden nach Hamburg oder Bremerhaven gebracht und dann in Bremen zwischengelagert.

Von hier aus wird der Kaffee dann zum Rösten, zur Weiterverarbeitung und Verpackung von Jacobs und Tassimo Produkten ins Werk nach Berlin gebracht. Bereits seit 1993 geschieht dies auf der Schiene. In Bremen starten die Wagen von den Gleisen am Hafen, in Berlin hat JDE sogar einen eigenen Gleisanschluss.

"Wir haben früh erkannt, dass der Transport mit dem Güterzug zeitlich und wirtschaftlich große Vorteile bringt", sagt Unternehmenssprecher Dirk Friedrichs. Der Transport per Bahn schütze auch die Anwohner in der Umgebung des Werks Berlin vor Lärm- und Luftbelastungen ständig an- und abfahrender Lkw.

2.321 Güterwagen mit je zwei 20 Fuß-Containern rollten im letzten Jahr von Bremen nach Berlin. Damit ersetzte JDE rund 5.000 Lkw-Fahrten.

Auf der Schiene quer durch Europa

Der deutsche Konsumgüterkonzern Henkel verlagert seine Güter ebenso von der Straße auf die Schiene. Europaweit. Der Eisenbahnanteil an der gesamten Henkel-Logistik belief sich 2020 auf neun Prozent.

So wurden etwa Lkw-Transporte aus Körösladány (Ungarn) nach Düsseldorf für den Unternehmensbereich Laundry & Home Care im Februar 2020 erfolgreich auf die Schiene verlagert. "Bei den jährlich mehr als 500 Lieferungen können wir so rund 630 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr einsparen", sagt Sprecher Michael Sgiarovello.

Im Juni 2020 wurde der Bereich Beauty Care von den Werken in Maribor (Slowenien) für mehrere Warenlager in der EU auf die Schiene verlagert und 680 Tonnen an CO2-Emissionen pro Jahr reduziert. Auch die Verbindungen zwischen den Produktionsstätten in Wien mit Düsseldorf sowie den Produktionsstätten in Racibórz (Polen) mit Lazzate (Italien) wurden ähnliche intermodale Lösungen umgesetzt.

Auch eine 800 Kilometer lange Bahnverbindung zwischen Château Thierry und Nîmes in Frankreich wird betrieben.

100 Prozent Güterbahn ist aber nicht möglich. Zu und von den Bahnterminals transportieren Lkw die Waren.

Ein ungleiches Duell

"Der Lkw hat Möglichkeiten, die der Bahntransport nicht bieten kann", sagt Christian Stavermann, Geschäftsführer des deutschen Eisenbahnunternehmens EGOO. Ein Lkw-Fahrer könne Güter über alle europäischen Grenzen hinweg in kürzester Zeit transportieren. Denn es gebe weder Barrieren in der Sprache noch in der Signalisierung der Verkehrszeichen.

So sehen etwa Vorfahrtsschilder in Spanien ungefähr gleich aus wie jene in Österreich und grüne Ampeln seien in Schweden genauso grün wie in Italien. Nicht so beim Bahntransport: "Es gibt eine abweichende Signalisierung an den Strecken und nicht jede Lok ist für den grenzüberschreitenden Betrieb ausgestattet. Die elektrische Spannung kann eine andere sein, die Zugkommunikation ist unterschiedlich, und so weiter", sagt er.

"Wenn ich einen Containerzug ab Emden nach Wels schicken möchte, muss ich mir einen Dienstleister suchen, der für mich mit eigener Lok und Personal- den österreichischen Streckenteil fährt. Das ist teuer, kostet viel Zeit und macht das ganze System unwirtschaftlich."

Der Lkw-Fahrer setzt sich in sein Fahrerhaus, hält unterwegs seine Pause und fährt am nächsten Morgen über die Grenze.

Wenn es also darum geht, welche Schrauben im Verkehr gedreht werden können, damit die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sinkt, müssten Bahn und Lkw zu gleichen Bedingungen fahren.

Es müsste eine Art Gleichberechtigung geben, sagt Stavermann. Dann wäre es kein ungleiches Duell mehr.