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Chinas grüne Strategie von Sonne und Wind

Von Bernhard Seyringer

Wirtschaft

Auch wenn Klimaschutz im Reich der Mitte eher kleingeschrieben wird, bei den Technologien ist es Weltmarktführer.


So zurückhaltend China in der Umsetzung klimapolitischer Ziele ist, so sehr ist es bestrebt, seinen Vorsprung als Weltmarktführer bei Grünen Technologien noch weiter auszubauen. Der innovative und erstklassige Entwicklungsstand des Industriesektors für erneuerbare Energien deckt sich nicht mit dem Diversifikationsgrad der Energieversorgung des Landes, die nur zu 11 Prozent auf Solar- und Windenergie beruht.

In China gilt der Industriesektor seit dem 12. Fünfjahresplan (2011-2015) als "Strategische Industrie", dessen Bedeutung sowohl in der Smart-Manufacturing-Strategie "Made in China 2025" als auch im 14. Fünfjahresplan (2021 bis 2025) fortgeschrieben wurde. Heuer haben unterschiedliche Regierungsstellen, die Förderungen für den Sektor nochmals drastisch erhöht.

Bei Solarmodulen führend

Die Entwicklung der Solarenergie begann in China als Entwicklungsprojekt, mit dem abgelegene ländliche Regionen elektrifiziert werden sollten. Der Startschuss für eine gewaltige Expansionswelle fiel, als die chinesische Industrie die Exportmöglichkeiten erkannt hatte, die sich durch diverse staatliche Fördermaßnahmen in unterschiedlichen OECD-Ländern ergab. Innerhalb einer Dekade wurde China sowohl zum größten Markt als auch zum weltweit größten Hersteller von Solarmodulen. Der Anteil chinesischer Produktion am globalen Gesamtvolumen wuchs von 14,7 Prozent im Jahr 2006 auf fast 80 Prozent im Jahr 2019. Chinesische Produzenten haben zwischen 2000 und 2016 die Produktion um das Fünfhundertfache gesteigert und fluteten den Weltmarkt mit Billigprodukten.

Das Land dominiert seither die Herstellung: Sieben der zehn größten Hersteller sind aus China. Laut Bloomberg kontrolliert Peking zumindest 60 Prozent der globalen Ressourcen in jeder Stufe der Produktionskette.

Dabei basierte die Produktion von Solarmodulen in den ersten Jahren fast vollständig auf importierten Komponenten und Produktionstechnik. Erst mit der ansteigenden Nachfrage wurde in die Weiterentwicklung der Produktionstechnik und in die Entwicklung von Verfahrenstechnik zur Gewinnung von Polysilicium, den wichtigsten Rohstoff in der Solarzellenproduktion, investiert. In diesem forschungsintensiven Bereich der Produktionskette ist die Unternehmenskonzentration am höchsten, und die wichtigsten Unternehmen haben einen Marktanteil zwischen 80 und 90 Prozent. Zwei Drittel der globalen Polysilicium-Herstellung sind im Besitz chinesischer Unternehmen, auch wenn viele Produktionsstätten nicht in China liegen.

Als die Nachfrage nach Solarmodulen aus Europa im Jahr 2008/09 einbrach, begann Peking 2011, mit unterschiedlichen Maßnahmen wie Einspeisevergütung oder Steuervergütungen die Industrie zu stützen. 2018 wurden diese Subventionen wieder ausgesetzt und Peking befeuerte vorsätzlich den Wettbewerb, um innovationsschwache Unternehmen auszusortieren und die Qualität zu erhöhen.

Da 2018, sowohl die EU als auch die USA begannen, chinesische Solarmodule mit Strafzöllen zu belegen, wanderten viele Hersteller nach Malaysia ab, das nun über die zweitgrößte Produktionskapazität verfügt. Damit beherbergen drei asiatische Länder zusammen 90 Prozent der globalen Produktion.

Bei Windenergie früher aktiv

Die Entwicklung der Windturbinen-Industrie hat sich in China ursprünglich aus steigender Nachfrage am Heimmarkt und einigen regionalen politischen Initiativen heraus entwickelt. Sie begann früher als die Entwicklung des Solarenergie-Sektors, und 2015 waren bereits knapp 130 Gigawatt an Leistung am Netz. Die Produktion von Windturbinen ist insgesamt weniger eindeutig in China konzentriert. Von den 39 Staaten, die in der Produktion unterschiedlicher Komponenten beteiligt sind, sind nur wenige wie Deutschland, Spanien, die USA oder China dazu in der Lage, sämtliche sechs wesentlichen Komponenten ("Gondeln", Rotorblätter, Türme, Generatoren, Getriebe und Lager) fertigen zu können. Das sorgt für eine starke Konzentration bei den Herstellern, sodass die zehn wichtigsten Unternehmen einen globalen Marktanteil von 85 Prozent halten. Außerhalb Chinas wird der Markt bei bestimmten Komponenten wie Generatoren von europäischen Herstellern dominiert. Bei sehr komplexen Bestandteilen wie den Lagern müssen chinesische Produzenten auf Komponenten deutscher oder schwedischer Hersteller zurückgreifen.

Die Zukunft der Windenergie scheint aber global betrachtet, im Offshore-Bereich zu liegen. Die Internationale Energie Agentur (IEA) prognostiziert, dass dieses Marktsegment stark zunehmen wird, und die besten Lagen für die Produktion von Offshore-Energie, könnten mehr elektrische Energie bereitstellen, als gegenwärtig weltweit konsumiert wird. Außerdem ist der Preis für Offshore-Windstrom um 62 Prozent seit Unterzeichnung der Pariser Abkommen von 2015 gefallen und damit bereits äußerst wettbewerbsfähig. In Europa liegen momentan 80 Prozent der Offshore-Windkraftwerke und die EU-Staaten dominieren die (Offshore-) Windturbinen-Produktion. China ist nur auf Rang drei hinter Großbritannien und Deutschland und die entwickelte Technologie ist weit weniger fortgeschritten.

China oder doch Europa?

Nur wenige Hersteller und Politiker waren darauf vorbereitet, dass China binnen nur einer Dekade einen Industriesektor - in einer zentralen Zukunftstechnologie bis zur Weltmarktführerschaft - entwickeln kann. Kein Zweifel: China dominiert die erste Technologiegeneration erneuerbarer Energien wie Crystalline Silicum Solarzellen oder Onshore-Windturbinen. Und das nicht nur in der Produktion, sondern wie Unternehmen wie JinkoSolar deutlich machen, auch in der Forschung. Das ist für Europa und die USA eine geopolitische Herausforderung.

Die Zukunft ist aber wesentlich offener, als die aktuelle Analyse verrät. Aus politischer Perspektive sind die Neuen Energien mittlerweile nicht mehr nur eine Frage des geoökonomischen Wettbewerbs, sondern auch der Nationalen Sicherheit. Das heißt, das Thema bekommt eine höhere Priorität in den OECD-Ländern. Die Solarzellen der Zukunft werden aus Perowskit hergestellt. Europa hat alle seine Forschungskapazitäten gebündelt, und in fast allen Bereichen der nächsten Technologiegeneration die Nase vorn.