Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) kann sich eine "gewisse Flexibilität" beim Stabilitäts- und Wachstumspakt vorstellen. "Wir sind bereit über Reformen zu sprechen", sagte Brunner vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Montag in Brüssel. Konkret sprach er dabei von einer "Vereinfachung" der EU-Fiskalregeln. "Momentan sind die Regeln sehr komplex und dadurch ist auch das Einhalten dieser Regeln sehr, sehr schwierig zu kontrollieren", erklärte Brunner.

Er pochte aber weiter auf einen "nachhaltigen Budgetpfad" in der EU. Bei dem Treffen wolle Brunner andere "Staaten der Verantwortung" ausloten. Trotz den neuen Regierungen in Schweden und den Niederlande geht der Finanzminister davon aus, dass "die meisten ihre Einstellung behalten werden". Österreich, Schweden, die Niederlande und Dänemark traten zuletzt als die "Frugalen Vier" auf, die sich stets für Sparsamkeit aussprachen.

Einen Verbündeten sucht Österreich auch in Deutschland. Die Position der Nachbarn beobachte man "stark", sagte Brunner. Er sei aber angesichts des deutschen Koalitionsvertrags "hoffnungsvoll". Der neue deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP), der am Montag erstmals an dem Treffen teilnimmt, hat vor den Beratungen der Euro-Finanzminister die Bedeutung der EU-Schuldenregeln betont. Sie müssten beachtet werden, damit die EU-Länder glaubwürdig blieben gegenüber Investoren am Kapitalmarkt, sagte der liberale Politiker am Montag in Brüssel.

Frankreich und Italien für Aufweichung

Die EU-Schuldenregeln seien hinreichend flexibel, so Lindner. Jetzt gehe es darum, die Schulden wieder zu reduzieren und Puffer aufzubauen, um handlungsfähig zu sein. Grundlegende Veränderungen der Regeln seien nicht zu erwarten. Für eine Aufweichung der Fiskalregeln kämpfen Frankreich und Italien an vorderster Front.

Derzeit liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, den Stabilitäts- und Wachstumspakt für Klimainvestitionen zu lockern. "Dabei müsse man höllisch aufpassen", warnte Brunner. Damit nicht unter dem "Deckmantel grüne Schulden" Investitionen in die Atomkraft fließen.

Die Gesamtschulden der Euro-Länder waren in der Coronavirus-Pandemie im Schnitt auf fast hundert Prozent der Wirtschaftsleistung angewachsen. Der Stabilitätspakt erlaubt den Mitgliedstaaten höchstens 60 Prozent und eine jährliche Neuverschuldung von maximal drei Prozent. In der Coronakrise hatte die EU die Regeln ausgesetzt, um milliardenschwere Hilfen für die Wirtschaft zu ermöglichen.

Ende Mai, Anfang Juni will die EU-Kommission einen Leitfaden präsentieren. Die reformierten Regeln sollen ab 2023 greifen. Österreich erfüllt derzeit weder die Defizit- noch die Schuldenregelung.

Brunner traf EZB-Chefin Lagarde

Brunner traf in seinem Rahmen seines Brüssel-Besuchs auch die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde. "Die derzeitige hohe Inflation bereitet vielen Politikern und Bürgern große Sorgen, die müssen wir ernst nehmen. Viele fürchten sich vor weiter steigenden Preisen", so Brunner. "Die Preisstabilität muss weiterhin das wichtigste Ziel der europäischen Geldpolitik bleiben." Eine Höchstpreisgrenze in Österreich lehnte Brunner ab. Maßnahmen wie in Ungarn seien derzeit nicht vorstellbar, sagte der Finanzminister in einem Pressegespräch. (reuters)