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Bern lenkt bei Sanktionen ein

Wirtschaft
Künftig ist das schöne Genf für reiche Russen weit weniger attraktiv.
© Universal History Archive

Die Schweiz schließt sich doch vollumfänglich den EU-Sanktionen gegen Russland an.


Das Beharren der Schweiz unter Verweis auf ihre Neutralität auf einem Sonderweg ist so legendär wie volkswirtschaftlich erfolgreich. Und in der jüngeren Vergangenheit ein wiederkehrender Anlass für bilaterale Verwerfungen. Die anfängliche Weigerung des Bundesrats, die von den USA und der EU aufgrund der russischen Invasion der Ukraine eilig paktierten massiven wirtschaftlichen Sanktionen gegen Moskau zur Gänze mitzutragen, befeuerte in Brüssel wie Washington die Sorge, dass auf diese Weise die Wirksamkeit der Maßnahmen leiden könnte. Am Montag nun erklärte die Regierung der Eidgenossenschaft, dass die Schweiz sich den Sanktionen der EU gegen Russland vollständig anschließen wird.

Die Vermögen von gelisteten Personen und Unternehmen seien ab sofort gesperrt, erklärte der Bundesrat, auch die Finanzsanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Ministerpräsident Michail Mischustin und Außenminister Sergej Lawrow würden mit sofortiger Wirkung vollzogen. Außerdem werde im Einklang mit den Maßnahmen in anderen europäischen Ländern der Schweizer Luftraum ab 15.00 Uhr (MEZ) für alle Flüge aus Russland und für alle Flugbewegungen von Luftfahrzeugen mit russischen Kennzeichen gesperrt.

Noch am Donnerstag, dem ersten Tag der Invasion, erklärte die Schweiz, dass russische Staatsbürger weiter über ihre Gelder auf Schweizer Konten verfügen können. Dies stieß sogar in der "Neuen Zürcher Zeitung" auf heftige Kritik: Die Neutralität diene hier nur "als Feigenblatt". Auch in Brüssel äußerten Diplomaten ihr Unverständnis darüber, dass sich Bern auf seine Neutralität berufe, wenn es um die Ahndung von Völkerrechtsbrüchen gehe. Über Tage hinweg hatte die EU versucht, die Schweiz davon zu überzeugen, sich den Russland-Sanktionen vollständig anzuschließen, die beispielsweise ein Einfrieren von Devisenreserven und Vermögenswerten bestimmter russischer Finanzinstitute vorsehen.

Schweizer Finanzplatz enorm wichtig für Moskau

Erst am Sonntag signalisierte Bundespräsident Ignazio Cassis ein mögliches Einlenken. Zugleich machte er aber deutlich, dass eine endgültige Entscheidung über ein Einfrieren des Kapitals auf jeden Fall die Schweizer Neutralität berücksichtigen werde. Am Montag machte der Bundesrat dann die Abkehr von der bisherigen zögerlichen Haltung offiziell.

Österreichs Nachbar im Westen nimmt vor allem bei der Finanzierung des für Russland so wichtigen Rohstoffhandels eine zentrale Position ein. Rund 80 Prozent der russischen Rohstoffe werden zwischen Genfer und Zürcher See gehandelt. Während sich der russische Gashandel in Zug festgesetzt hat, ist Genf das Zentrum der Ölgeschäfte.

Zudem gilt die Schweiz als beliebtester Offshore-Finanzplatz für reiche Russinnen und Russen. Gemäß Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich liegen aktuell rund umgerechnet 14,5 Milliarden Euro von russischen Privatpersonen und Unternehmen auf Schweizer Bankkonten. Das sind 30 Prozent der erfassten russischen Guthaben auf Konten auf der ganzen Welt. Damit gelangt fast jeder dritte Dollar, den russische Bürger und Firmen ins Ausland bringen, in die Schweiz. Jedes Jahr sollen weitere Milliardenbeträge in die Schweiz fließen. Für den Schweizer Handels- und Finanzplatz steht also enorm viel auf dem Spiel. (red)