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Moskaus Krieg bringt EZB in die Bredouille

Von Karl Leban

Wirtschaft

Zinstreffen am Donnerstag: Was kann die Europäische Zentralbank tun, um die Konjunktur stabil zu halten?


Russlands Krieg gegen die Ukraine stellt die Währungshüter der Eurozone vor neue, noch größere Herausforderungen. Etliche Beobachter sprechen vom "heikelsten Moment" für die Europäische Zentralbank (EZB) seit deren Gründung. Gespannt blickt die Finanzwelt deshalb auf die für Donnerstag anberaumte Sitzung des EZB-Rats. War der Druck für die Notenbank, die im Rekordtempo steigende Inflation im Euroraum mit Zinserhöhungen zu bekämpfen, schon vor dem Waffengang Moskaus recht hoch, so ist er mit der jüngsten, kriegsbedingten Preisexplosion bei Öl und Gas nochmals stark angestiegen. Leitet die EZB aber jetzt schon die Zinswende ein, läuft sie Gefahr, die wirtschaftliche Erholung von der Corona-Krise abzuwürgen. Was also wird sie tun?

Fritz Mostböck, Chefanalyst der Erste Group, rechnet damit, dass die EZB vorerst noch weiter still hält und somit nicht an der Zinsschraube dreht. Zugleich geht er aber davon aus, dass Notenbank-Chefin Christine Lagarde am Donnerstag verkünden wird, dass man "die neue Situation infolge des Krieges ganz genau beobachten" werde. "Die EZB wird sich vorerst nicht festlegen, was die nähere Zukunft betrifft", meint Mostböck im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "In einer so misslichen Lage wird sie sich alle Optionen offen halten."

"In einem Dilemma"

Dass der Krieg die Inflation weiter befeuert und damit auch das Wirtschaftswachstum in Europa bedroht, hat die EZB bereits eingeräumt. "Sie ist in einem Dilemma", hält Mostböck dazu fest. Denn bis dato habe die Europäische Zentralbank mit einer Zinswende sehr lange zugewartet, obwohl die Inflation so stark angezogen habe. "Jetzt kommt der Krieg dazu, der die Inflation nochmals anheizt."

Angesichts der wirtschaftlichen Risiken für den Euroraum spricht aus Sicht Mostböcks vieles für ein vorsichtiges und keineswegs voreiliges Agieren der Währungshüter. Eine entscheidende Frage für deren Geldpolitik werde sein, wie man in einem Krieg die Konjunktur stabil halten kann. "Denn je länger der Krieg dauert, desto stärker werden seine Auswirkungen sein", gibt Mostböck zu bedenken.

Inflation von 5,8 Prozent

Auch der Chefökonom der EZB, Philip Lane, hat erst vor wenigen Tagen gemeint, es gelte, nicht überhastet auf die derzeit hochschießende Inflation im Euroraum, die im Februar wegen der galoppierenden Energiepreise bereits bei 5,8 Prozent lag, zu reagieren. Im Fall eines negativen Angebotsschocks könnte die Zeitspanne, in der die Inflation zu ihrem Zielniveau von zwei Prozent zurückkehrt, ausgedehnt werden, um einen starken Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten und der Beschäftigung zu vermeiden. "Diese Überlegung ist relevant für die Entwicklung der angemessenen geldpolitischen Reaktion auf den aktuellen Energieschock und den Pandemieschock", so Lane.

Pepp-Bondkäufe bald beendet

Anders als die US-Notenbank Fed wird die Europäische Zentralbank Zinserhöhungen demnach wohl weiter auf die lange Bank schieben. "Der Ukraine-Krieg verzögert jegliche EZB-Zinserhöhung bis 2023", meint etwa das kanadische Research-Haus BCA. Indes erwartet Kapitalmarktexperte Mostböck den ersten Zinsschritt - wie schon vor der russischen Invasion in der Ukraine - im Dezember 2022.

Was die Anleihenkäufe der EZB über das Pandemie-Notprogramm Pepp betrifft, so ist dieses Programm bald - noch im Frühjahr - Geschichte. Das kleinere Programm APP läuft aber in veränderter Form weiter, und da ist das Ende noch offen. Dieses gilt jedoch als Voraussetzung für die Zinswende.