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Erfindergeist steigt trotz Pandemie

Von Andreas Lieb

Wirtschaft

Österreich liegt bei Patentanmeldungen weltweit an 14. Stelle. Borealis meldete hierzulande die meisten Patente an.


Der Pandemie zum Trotz hat der Erfindergeist auch in Österreich nicht gelitten. Das zeigt die Jahresbilanz des Europäischen Patentamtes (EPA) mit Sitz in München, die ein Spiegelbild der Innovationskraft darstellt. Österreichs Erfinder und Unternehmer haben im vorigen Jahr 2.317 Patentanmeldungen eingereicht, das entspricht einem leichten Zuwachs gegenüber dem Jahr davor. Insgesamt wurden beim EPA 188.600 Patente angemeldet - ein Plus von 4,5 Prozent und damit ein Rekordwert.

"Digitale Transformation"

"Das starke Wachstum in Digitaltechnologien zeigt eindrücklich, dass sich die digitale Transformation branchenübergreifend und über verschiedene Sektoren hinweg vollzieht", stellt EPA-Präsident António Campinos fest. In der Tat hat Digitale Kommunikation (plus 9,4 Prozent im Vergleich zu 2020) die Medizintechnik als größtes Technologiefeld für europäische Patentanmeldungen 2021 abgelöst. Computertechnik war das drittstärkste Gebiet und verzeichnete das größte Wachstum ( plus 9,7 Prozent) unter den zehn führenden Technologiefeldern. Die verwandten Bereiche audiovisuelle Technologie ( plus 24 Prozent) und Halbleiter (plus 21 Prozent) verzeichneten einen ungewöhnlich starken Anstieg, wenn auch von einem geringeren Level.

In Österreich ist das Bild im "Patent Index 2021" etwas anders, berichtet Senior Economist Ilja Rudyk gegenüber der Wiener Zeitung: "Der boomende und größte Bereich ist jener der elektrischen Maschinen, Geräte und Energie mit einem Plus von 30,5 Prozent." Hier seien etwa Innovationen im Bereich der E-Antriebe und grüne Technologien mitgemeint, so Rudyk. "Österreich ist sehr spezialisiert, wenn es um grüne Energien geht", so der Experte. "Über die letzten Jahre gibt es einen stabilen Trend, dass gut 20 Prozent der Anmeldungen von Klein- und Mittelbetrieben oder Einzelerfindern beziehungsweise Start-ups kommt, weitere 5 Prozent von Universitäten." Auf Platz zwei der heimischen Technologiebereiche kommt Hoch- und Tiefbau vor Makromolekulare Chemie & Polymere. Den zweitgrößten Zuwachs an Anmeldungen weist der Bereich Handling mit 18,8 Prozent aus. Auch die Segmente Transport und Spezialmaschinen wiesen ein Wachstum aus, während sich der Vorjahresanstieg im Bereich Arzneimittel (minus 23,8 Prozent) nicht fortsetzte.

Im globalen Ranking sind die Top fünf die USA (rund ein Viertel aller Anmeldungen) vor Deutschland, Japan, China und Frankreich. Wachstumstreiber ist China - deren Anmeldungen haben sich in den vergangenen Jahren mehr als vervierfacht. Das schlägt sich auch im globalen Firmenranking nieder: Huawei liegt vor Samsung und LG, danach folgen Ericsson und Siemens.

Weltweit auf Platz 14

Österreich liegt im Index weltweit auf dem 14. Platz, umgelegt auf die Bevölkerungszahl sogar auf Platz sieben. Innerhalb der Republik liegt ganz klar Wien an erster Stelle. Danach folgen Oberösterreich und die Steiermark; die Steirer mussten bei den Anmeldungen aber ein Minus von 7,1 Prozent hinnehmen. Den größten Zuwachs verzeichnet Vorarlberg (plus 20,1 Prozent). Bei den Marken hat der Kunststoffhersteller Borealis alle abgehängt, gefolgt von der ZKW Group (Lichtsysteme und Pkw-Elektronik) und Tridonic (Lichtlösungen).

Insgesamt erhöhte sich zwar die Zahl der Patentanmeldungen aus den 38 EPU-Mitgliedsländern um 2,8 Prozent, im Verhältnis zum Gesamtaufkommen fiel Europa aber von 50 Prozent auf 44 Prozent zurück. Beim EPU geht man davon aus, dass immer mehr Akteure außerhalb Europas und insbesondere aus Asien versuchen, ihre Erfindungen auf dem europäischen Markt zu schützen.

Die Pandemie sei eine schwierige Phase gewesen, resümiert Ilja Rudyk, das betreffe auch den Bereich Beihilfen und Förderungen. Eine eigene Studie dazu kommt in den nächsten Wochen. "Nur mit einer Erfindung ist es nicht getan, man muss sie auch im Markt testen, Kunden akquirieren und das Produkt an deren Wünsche anpassen, das ist ein langer, kostspieliger Weg." Vor allem Deep-Tech-Unternehmen, die schon in der Forschung sind, benötigen Mittel; ob das Geld von der öffentlichen Hand kommt oder über private Investoren aufgestellt wird, ist für das Patentamt nicht relevant. Ebenso wie die Frage, ob der Patentschutz in Einzelfällen - etwa bei den Impfstoffen - aufgehoben werden soll: "Das ist", so Rudyk, "eine politische Frage; wir sind eine technische Einrichtung." Bisher sei eine Freigabe außerhalb Europas bei bestimmten Medikamenten (etwa in der Aids-Bekämpfung) erfolgt, zu den Auswirkungen gebe es eigene Studien.

Und was ist, wenn ein Erfinder etwas völlig Neues schützen will, dessen Technologie auch für die Münchner Prüfer völlig neu ist? Rudyk: "Erfindungen bauen normalerweise auf bereits vorhandenen auf, sie sind eine Weiterentwicklung bestehender Produkte, auf deren Daten wir Zugriff haben." Nachsatz: "Außer es käme jemand aus der Zukunft zu uns." Ein Patentschutzverfahren dauert etwa drei bis fünf Jahre bis zur Erteilung.