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Krieg zieht weite Kreise in Region

Wirtschaft

Auch die ost- und südosteuropäischen Länder stehen vor großen Herausforderungen.


Russlands Krieg in der Ukraine und die damit einhergehende Energiekrise haben massive soziale und wirtschaftliche Auswirkungen auch auf die zentral-, ost- und südosteuropäischen Länder (CEE), wie eine aktuelle Analyse des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) zeigt. Das Institut revidiert die Wirtschaftsprognosen für die CEE-Länder für dieses Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte nach unten.

"Für die Ukraine sind die Folgen dieses Krieges natürlich am verheerendsten", sagte Richard Grieveson, wiiw-Direktor, im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des OECD Berlin zu den sozialen und wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. "In den vom Krieg direkt betroffenen Regionen ist das BIP um 53 Prozent eingebrochen", so der Ökonom. Im gesamten Land sinkt die Wirtschaftsleistung um ein Drittel.

Und auch die russische Wirtschaft wird unmittelbar und hart von den Sanktionen des Westens getroffen. Das BIP könnte heuer um 8 bis 12 Prozent einbrechen, die Inflation auf 30 Prozent steigen. In allen Szenarien ist allerdings noch kein Gas- und Öllieferstopp eingepreist. "In diesem Fall hätten wir eine Rezession in der gesamten Region."

Die Abhängigkeit von russischem Gas ist in vielen östlichen Staaten ähnlich hoch oder höher als in Österreich. "Das vielleicht einzig Gute an diesem Konflikt ist, dass nun das Bewusstsein, auf nachhaltige Energieträger umzusteigen, gestiegen ist", sagte Milan Nic von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). "Die grüne Transformation ist sexier geworden."

EU-Integration stärken

"Ich denke, in Zukunft könnten internationale Investoren noch mehr in Nato- und Nicht-Nato-Länder im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen unterscheiden", sagte Nic. Auch Ungarn und Serbien seien angesichts ihrer politischen Nähe zu Russland und dem Kreml Sorgenkinder in der Region, erklärte Barbara Zollmann von der deutschen Handelskammer in Ungarn. In den baltischen Staaten wiederum ist die wirtschaftliche Verflechtung vieler Unternehmen mit Russland besonders hoch.

Grieveson sprach angesichts der fragilen und wirtschaftlich angespannten Situation für eine Intensivierung der EU-Integration in der Region. Nordmazedonien, Serbien, Albanien und andere Länder des Westbalkans haben derzeit Kandidatenstatus. "Die sechs Länder in der Region haben zusammen die Wirtschaftsleistung der Slowakei. Das ist ein Prozent des EU-BIPs", sagt Grieveson. Ein EU-Beitritt dieser Länder sei ökonomisch jedenfalls verkraftbar und hätte für die Region, aber auch für die EU positive wirtschaftliche, politische und soziale Effekte.

Hürden am Arbeitsplatz

Seit Kriegsbeginn mussten zehn Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer fliehen, 3,5 Millionen davon haben das Land verlassen, wovon wiederum zwei Millionen ins benachbarte Polen gereist sind. Sollte sich der Konflikt verfestigen, könnten bis zu 18 Millionen Menschen von ihrem ukrainischen Zuhause vertrieben werden, wie Schätzungen des wiiw zeigen.

Das bringt auch große Herausforderungen für die Arbeitsmärkte der europäischen Länder, die zum Teil noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen haben. Aus der Ukraine fliehen vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Ukrainerinnen seien im Schnitt besser ausgebildet als EU-Bürgerinnen, so das wiiw. Allerdings gibt es dennoch Hürden bei der Jobsuche - etwa (noch) fehlende Sprachkenntnisse oder Kinderbetreuung.(del)